[1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

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Agnellina
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Agnellina »

Agnellina reagierte nicht wie ein Mensch. Statt die Hand auszustrecken und den braven Hund zu streicheln, rutschte sie etwas zurück und behielt auch hier einen gewissen Abstand bei. Pawlina mochte ebenfalls - unbewusst oder wissend - einen gewissen Abstand zum Raubtier in Menschengestalt wahren.

"Pawlina wittert, wo sich der Happen für sie befindet. Doch sie wird ihn erst bekommen, wenn Ihr, Księżniczka, korrekt ihre Stimme sein könnt. Lauscht ihr. Und dann seid ihre Stimme."

Die Gangrel wandte den Blick demonstrativ der Hündin zu und grollte leise.
*Pawlina, sage ihr den Platz. Wo riecht es gut? Hase?*
Agnellina berührte die linke Schale mit den flach ausgestreckten Fingern.
*Ente?*
Agnellina tippte auf die mittlere Schale.
*Ratte?*
Sie berührte die rechte Schale auf dem Tablett.
*Hase? Ente? Ratte? Wo? Sage es der Herrin.*
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Marzanna
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Marzanna »

Pawlina sah zu Marzanna und ihre Blicke trafen sich. Die Tzimisce hörte deutlich die Worte der Hündin, während diese in bester Jagdhundmanier die Schalen anzeigte.
Ente? Hase? Ratte?

Pawlina wiederholte ihren Rapport und die Worte erschienen im Kopf der Vampirin.

"Hase. Ente. Ratte." , sagte sie schließlich in der Menschensprache, die plötzlich so krude und ungenau wirkte und zeigte auf die Schalen.
Bei Pawlinas Gedanken schwangen Gerüche mit und Bilder von den Tieren und wie sie sie riss und fraß. Und ein Hauch des Geschmacks, den Marzanna selbst so lange nicht mehr schmecken konnte.
Das war ein ungewohnter Bonus, die Sprache der Tiere verstehen zu können. Die Erinnerung an ein Leben im Jetzt ohne Sorgen.
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Agnellina
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Agnellina »

Benannte Marzanna die korrekte Schale, so bekam Pawlina die Schale gereicht und durfte sich den Bissen Grütze heraus schlecken. Bei einem Fehlschlag wurde sie mit einem knappen "Nein." bewertet und bekam einen neuen Versuch mit vertauschten Schalen.
Nach einigen Runden änderte die Gangrel jeweils die Begrifflichkeit. Sie wählte einfache Dinge, welche von Bedeutung für die Hündin waren. Nahrung und Beute, Bezeichnungen der Rudelpositionen, Begriffe für Bewegungen und Positionshaltungen, welche Jaroslaw ihr wahrscheinlich beim Abrichten vermittelt hatte. So vieles aus der menschlichen Welt ergab für Tiere keinen Sinn und so vieles ließ sich doch einfach herunter brechen.
Die Gangrel arbeitete ruhig mit der Hündin, die eindeutig auf ihre Kosten mit der ungeplanten Mahlzeit kam. Dünn sah sie sowieso nicht aus. Vermutlich stand sie besser im Futter als so manche Magd auf dem Feld oder so mancher Tagelöhner in den Straßen Krakau.

"Bei anderen Tieren wird die Herausforderung größer. Eure Hündin ist Euch zugetan und klug. Ein wildes Tier ist nicht vertraut mit dem Leben und der Lebensweise der Menschen. Ihr müsst Euch immer dem Tier anpassen. Es hilft, wenn man ihnen einfach zuhört. Dann lernt man mit der Zeit sie besser zu verstehen. Oft werdet Ihr Angst hören oder Aggression. Sie werden Euch als Raubtier, als Eindringling in ihre Reviere und als Bedrohung sehen. Hören ist nicht so schwer. Sprechen schon eher. Manchmal wird es einfacher, wenn Ihr die Zunge der Tiere benutzt. Das lässt sich üben. Der Gesang der Vögel ist unterschiedlich. So ist es auch Pawlinas Geräuschesprache. Sie bellt und kläfft und knurrt. Aber sie hat auch viele leise Töne. Ihr Körper spricht, ihre Augen. Wenigstens in der Stimme kann man ihnen mit Übung entgegen kommen."
Sie betrachtete den Hund, streichelte ihn weiterhin nicht. Doch sie hielt ihm den Rest der größeren Schale hin.
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Marzanna
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Marzanna »

Pawlina begnügte sich mit dem leckeren Mahl. Das hatte sie sich auch verdient, fand sie. Nur wenige aus der Meute wagten sich zu den zweibeinigen Jägern ohne Herzschlag. Noch dazu, wenn sie zu zweit waren. Aber diese Zweibeiner waren auch nur einsam und sehnten sich nach einem Rudel.

Und Pawlina war die Mutter von vielen und konnte mit jeder Situation umgehen. Sie mochte die gefährlichen Jägerinnen. Ihr Leben war viel intensiver mit ihnen und sie verstanden sie. Sonst konnte von den Zweibeinern nur Jaroslaw sie verstehen.
Sie und Jaroslaw waren die Anführer der Meute. Heute Nacht fühlte die große Hündin sich großartig. So wie damals, als sie ihren Platz erkämpft hatte.

Sie verstand nun Marzanna. Das war bedeutsam, das spürte sie.

Marzanna nickte derweil zu Agnellinas Worten und verinnerlichte sie. Sie schaute in die Augen Pawlinas als diese vom Fressen aufblickten.

Beide sagten gleichzeitig in Gedanken der anderen: Das ist eine großartige Nacht!

Marzanna musste kichern und Pawlina wedelte freudig mit dem Schwanz.
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Agnellina
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Agnellina »

"Ihr könnt versuchen, sie zu befehligen. Es ist ein... Drücken gegen ihr inneres Tier, wenn sie unwillig sind. Pawlina taugt nicht dafür, um das zu versuchen. Aber es ist recht schwierig. Oder auch nicht. Vielleicht fällt Euch das auch leicht. Sie können nur tun, was in ihrer Natur liegt. Und sie begreifen nur die Grenzen dessen, was in ihrer Lebensart liegt."

Agnellinas Blick schweifte ab, glitt über die Pergamente und Bücher, die auf ihre Bearbeitung warteten.

"Glaubt Ihr, ich habe beim Mäusespiel auf diese Art betrogen und Euch somit verlieren lassen?", fragte sie unvermittelt.
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Marzanna
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Marzanna »

Marzanna stutzte überrascht.

"Nein, habe ich nicht. Nicht weil ich es mir nicht vorstellen könnte, sondern weil es mir egal war.
Mir ging es um das Spiel und die schöne Geschichte, die du darum gesponnen hattest. Wenn der Mäuseritter sein kurzes Leben beschließt, sehe ich ihn vielleicht im Spiegelschein des Mondes in der Rudawa oder bei den Freudenfesten der alten Götter wieder.
Vielleicht hast du einen neuen kleinen Domovoi geschaffen, der das Modell bewohnen wird, das du für mich machst."

Marzanna schien das nicht in romantischer Verklärung zu sagen, sondern wahrhaftig zu glauben.
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Agnellina
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Agnellina »

"Die Maus hat ihre Aufgabe erfüllt. Das hat sie gut gemacht, doch sie ist längst erfüllt und entlassen. Er hat den Leuten Freude bereitet und mir das Tor der Stadt geöffnet. Ihr werdet gewiss selbst eine passende Maus finden, welche die Häuschen bewohnen und Euch erfreuen kann. Es wäre nicht recht, wenn ich eine wähle und zähme. Sie würde Euch nur verkümmern können. So eine Höllenmaus hängt an einem."

Sie griff Marzannas Bezeichnungen vom frühen Abend damit auf.
Agnellina stellte die Schalen ineinander und auf das Tablett. Dann strich ihre Hand über den Boden und wischte den klebrigen Krümel fort, was an Grütze daneben gefallen war.

"Ihr sagtet am frühen Abend, jemand schändet den Boden und schürt Euren Zorn, Księżniczka?"
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Marzanna
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Marzanna »

"Höllenmaus. Das klingt niedlich, aber Mäuse können sehr schädlich und tödlich für Bauern werden, wenn sie die Vorräte fressen.
Und selbst das Eichhörnchen ist bei den Christen ja ein Tier Satans."

Auf die Frage machte sie ein verdrießliches Gesicht. "Ja, die abscheuliche Hexe Natalie aus Ungarn. Sie ist Gesandte einer Mörderkabale aus Satan anbetenden Zauberern, die Verwandte ermordet haben, um magisch deren Geheimnis der des ewigen Lebens zu stehlen. Die gottlosen Tremere.

Kaum war sie hier, beleidigte sie mich und verursachte Zwist zwischen Krakau und mir. Wahrscheinlich flüstert sie ihre Lügen gerade in diesem Moment anderen Upiór in die Ohren oder verleitet Sterbliche zu gottlosen Taten, um am Ende Krakau als Konkurrent zu ihrem Hexenkult auszuschalten oder gar zu übernehmen.

Die Gier dieser Emporkömmlinge kennt keine Grenzen. Ich hielt es nur für übertriebene Gerüchte, aber als diese Kurva hier ankam, wusste ich, dass alles, was man über diese Hostienschänder und Kinderbluttrinker sagt, noch weit untertrieben war.

Ich hoffe, der Ordensritter der Salubri reißt ihr den verlogenen Schlangenkopf ab und verbrennt ihre unheiligen Glieder. Ihre an den Teufel verkaufte Seele schmort ja schon in der Hölle."

Das eigentlich Gruselige an der Hassrede Marzannas war, dass sie sie in kalter Ruhe aussprach und nicht den Worten angemessen in heißem Zorn.
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Agnellina
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Agnellina »

"Ich weiß." Agnellina nickte zur Problematik der Mäuse. Ihr war bewusst, was diese Tiere anstellen konnten. Es war besser, sich nicht von Sterblichen dabei erwischen zu lassen, wie man mit diesen sprach. Es gab wenig Liebe unter den Menschen für diese Tiere, wenn sie nicht einzeln, vermenschlicht in possierlicher Kulisse herumliefen.

Die kalte Tirade, die zunehmend Fahrt aufnahm, ließ Agnellina schnell einen überforderten Gesichtsausdruck annehmen.

"Eine Hexe?", fragte sie und versuchte irgendwo den Faden zu finden, worum genau es ging. "Oder eine Schlange? Eine Hexe mit einem Schlangenkopf? Oder eine Schlange, die zaubern kann?"
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Marzanna
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Re: [1258] Zwischen Adelstrutz und Mäusenest [Agnellina, Marzanna]

Beitrag von Marzanna »

Marzanna regte sich schnell ab, als Agnellina ihre Worte wörtlich nahm. "Nein, nur im übertragenen Sinne, selbst wenn ich nicht weiß, ob sich nicht Tiergestalt geben kann. Ihre Hexerbande soll auch Gangrel ermordet haben und deren Kräfte gestohlen, habe ich gehört.
Hör nicht auf das Gerede von mir. Die Princeps hat ihr Stadtfreiheit gewährt. Wer bin ich, ihr das abzusprechen. Die Princeps denkt sich sicher was dabei.
Wenn ich nur wüsste, was ..."

Sie sinnierte grüblerisch und schüttelte dann unwirsch den Kopf. "Ich will nicht, dass sie zur Untermiete in meinen Gedanken wohnt. Verdrängen wir den Gedanken an sie lieber."
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