[1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

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Zofia
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[1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Zofia »

Die kleine Kapelle am Rande Krakaus lag in dieser Nacht still da. Ihr schlichtes Holzgebälk war geschützt von dem dichten Blätterdach uralter Linden, deren knorrige Äste sich gegen den wolkenverhangenen Himmel streckten. Mehrere Lichtpunkte kämpften gegen die umgebende Dunkelheit an und sorgten dafür, dass ein kleiner warmer Schein durch die schmalen bleiverglasten Fenster nach draußen drang, und geisterhafte Muster auf den feuchten Boden warf.

Drinnen herrschte dagegen eine kühle feuchte Stille, als hätte die Zeit selbst den Atem angehalten. Der dumpfe Geruch von altem Holz und erkaltetem Weihrauch hing in der Luft, vermischt mit dem fernen Hauch von Moos, das aus den Ritzen des Steinbodens kroch. Die massiven Eichenbänke standen in geordneten Reihen, doch der Zahn der Zeit hatte sie gezeichnet. Ihre Kanten waren von zahllosen Händen glattpoliert, ihre Oberflächen von Generationen kniender Gläubiger ausgeblichen. Hoch über dem schlichten Altar erhob sich die steinerne Gestalt der Madonna, deren blinde Augen ins Nichts gerichtet waren, als lauschte sie den Gebeten, die in diesen Mauern nur selten stattfanden.

In einer der vorderen Bänke saß eine Nonne der Benediktinerinnen, deren dunkle Kutte nahezu mit der Finsternis verschmolz. Nur ihr blasses Gesicht hob sich in dem spärlichen Licht ab. Zwischen ihren Fingern glitten die fast weißen Perlen des Rosenkranzes, welche bei jeder Bewegung über ihrem Gewand raschelten. Ihre Lippen bewegten sich kaum, doch ihr leiser Wechsel aus Ave Marias und Paternostern hallte gedämpft in der kleinen Kapelle wieder, als sie betete.
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Agnellina
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Re: [1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Agnellina »

Die Tür der Kapelle wurde geöffnet und ein Paar betrat den Raum. Der Mann konnte sich kaum auf den Beinen halten, schien halb im Dämmerzustand. Seine Haut war fahl und er bewegte sich fahrig und wirkte desorientiert. Er wurde gestützt und geführt von der Frau an seiner Seite. Beide hatten schlichte Kleidung an und vielleicht den Torschluss der Stadt verpasst. Auffällig war, dass sie neben seiner Gestalt, die sie stützte, auch sein Bündel für ihn trug. Allein wäre der Mann wohl einfach gefallen und liegen geblieben. Vielleicht war er erkrankt, betrunken wirkte er nicht. So dirigierte die Frau ihn in die kleine Kapelle.

"Gleich geschafft. Wenige Schritte noch. Hier kannst du sicher ruhen und schlafen.", redete die Frau tröstend und fürsorglich auf den Mann ein. Sie lenkte ihn in die nächste Ecke, ließ ihn niedersinken und ging, um zunächst die Tür zu schließen, und ihm danach wohl ein Nachtlager zu errichten.
Sie hielt inne, als ihr das Ersterben des gedämpften Halls des Gebrabbels auffiel und ließ ihren Blick durch den kleinen Raum streifen.
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Zofia
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Re: [1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Zofia »

Der Kopf der Nonne drehte sich leicht über ihre Schulter hinweg, so dass sie aus den Augenwinkeln heraus die ungewöhnliche Situation betrachten konnte, während eine weitere Perle raschelnd durch ihre Finger glitt. Ihrem Blick wog eine gewisse Strenge bei, die widerspiegelte, dass dies hier wohl kein Ort zum Schlafen sei. Doch vorerst sagte sie nichts, sondern widmete sich weiter ihrem Gebet, welches den Perlen nach, wohl noch nicht sein Ende gefunden hatte.
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Agnellina
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Re: [1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Agnellina »

Agnellina sah in Richtung der anwesenden Nonne. Aufmerksam musterte sie die Betende ohne näher zu treten, lauschte den leisen, unverständlichen Worten und witterte unbewusst nach dem Geruch im Raum.Dann wandte sie sich ab und schloss leise die Kapellentür.

Sie ging zurück zum Mann in der Ecke und richtete mit seinem Bündel ein schlichtes Lager für ihn. Der Mann nahm dies kaum noch wahr. Er nahm ein paar Züge Wasser, welches sie ihm aus seiner ledernen Feldflasche an die Lippen hielt, ehe sie ihn niedersinken und in den erholsamen Erschöpfungsschlaf dämmern ließ.
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Zofia
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Re: [1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Zofia »

Nachdem die gedämpften lateinischen Worte langsam verklungen waren, bekreuzigte sich die Benediktinerin, woraufhin ein leises Rascheln ihres Stoffes zu hören war, bevor sich in der kleinen Kapelle eine beängstigende Stille ausbreitete für all Jene, die nicht den Frieden in jenen Hallen fanden. Leise pfiff der Wind um das Gebäude, gleich einem Geist, welcher den Ort heimsuchte. Kerzen begannen unruhig zu flackern, als die Luft von draußen durch die Ritzen getrieben wurde. Kleine Äste kratzten auf dem Dachstuhl, während sich eine schwere Kälte über den Raum legte, der wohl nur selten noch zu angenehmen Temperaturen erwärmt wurde. Schweigend saß die Nonne noch einen Moment im stummen Gebet dar, bevor sie sich langsam erhob, vor dem Allerheiligsten knickste und letztlich gemächlich in Richtung des Ausganges schritt, dabei die beiden Anwesenden und das was sie taten genauer musternd.
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Agnellina
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Re: [1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Agnellina »

Die Atemzüge des Mannes wurden ruhig. Agnellina stopfte seinen Umhang etwas unter ihm fest, damit er im Schlaf nicht wegrutschte. Mehr konnte sie nach ihrem Dafürhalten nicht für ihn tun. Er war an einem sicheren Ort und nun war es an seinem Schöpfer, die Hand über ihn zu halten.
Die Gangrel erhob sich und entfernte sich leise. Einen Blick warf sie in Richtung des Kreuzes, zog aber lediglich den Kopf ein und verließ die Kapelle auf leisen Füßen.

Draußen streckte sie sich und lockerte ihre Schultern. Leichter Nieselregen hatte eingesetzt. Das senkte die Wahrscheinlichkeit für Zufallsbegegnungen noch weiter.

Agnellina wartete, bis sie die Kapellentür erneut hörte.
"Entschuldigung, wenn ich deine Andacht gestört habe. Er brauchte einen trocknen Platz."
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Zofia
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Re: [1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Zofia »

„Jeder ist im Haus des Herrn willkommen, so es mit redlichen Absichten betreten wird.“, erklärte die Benediktinerin, bevor sie ruhig mit der freien Hand den Überwurf über ihr Haupt schlug, ob des aufkommenden Regens, derweil sie in der Anderen ein Licht hinter dünngeschabten Häuten trug. „Dennoch ist dies kein guter Ort für ihn.“, ließ Zofia die Gangrel wissen. „Das Gemäuer ist kalt und feucht. So schwach wie er ist, und in der nassen Kleidung die er trägt, wird er dort nur den Tod finden.“ Ruhig lagen ihren braunen Augen für einen Moment auf Agnellina, bevor sie fortfuhr: „Vor allem, so sein Körper im Schlaf weiter auskühlt.“ Dann sah sie in Richtung der fernen Lichter der Stadt, derweil sie meinte: „Du solltest mit ihm weiterziehen. Bis zur Stadt ist es nicht mehr weit.“ Ihre Finger gingen durch einen seitlichen Schlitz unter ihr Gewand, aus dem sie einige Münzen hervorzog, welche sie ihrem Gegenüber mit offener Hand entgegenhielt, derweil sie ruhig sprach: „Das sollte für ein Zimmer in einem Gasthaus und etwas zu Essen reichen. Und Jemanden, der sich ihm annimmt, um die Wärme in seinen Körper zurückzubringen.“
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Agnellina
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Re: [1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Agnellina »

Die klammen, wetterkalten Finger der Gangrel fischten die Münzen zögerlich aus der dargebotenen Hand. Nachdenklich betrachtete sie Münzen.

"Allein schaffe ich das kaum. Er schläft und wird schwerlich wach zu bekommen sein. So träge ist der Mann recht schwer. Außerdem ist das Stadttor zu."
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Zofia
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Re: [1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Zofia »

Schweigsam blickte die Kappadozianerin in Richtung Kapellentür. „So er unter Blutarmut leidend tot in einer Kapelle gefunden wird, werden wir alle in Krakau weit mehr Probleme haben, als uns lieb ist.“, stellte die Frau in den Kleidern der Benediktinerinnen nüchtern fest, nachdem sie Agnellina als das erkannt hatte, was sie war. Wortlos schritt sie in Richtung der schweren Holztür und drückte sie auf, derweil sie der Gangrel ein Zeichen gab einzutreten. „Ich werde helfen, ihn zu tragen. Doch nur bis zur Brücke. Dort ist ein Bauernhof, der Knechte aufnimmt. Bittet um Hilfe und betet, dass er bis dahin nicht den Tod gefunden hat.“, ließ sie Agnellina wissen.
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Agnellina
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Re: [1258] Gebet in der Dunkelheit [Agnellina, Zofia]

Beitrag von Agnellina »

Die Zusage der Hilfe wurde durch ein aufleuchtendes Lächeln im Gesicht der Gangrel angenommen. Das Lächeln zierte ihr Gesicht und wirkte tatsächlich ehrlich und freundlich.
"Ich weiß nicht, was ihn plagt. Sein Blut ist heiß und so sauer, dass es einem den Mund zusammen ziehen möchte.", erklärte sie - fast warnend klingend. Um auffällige Blutarmut schien sich Agnellina keine Sorgen zu machen - zumindest äußerte sich aber auch nicht zu dieser Andeutung.

Sie folgte der vorangehenden Zofia zurück in die Kapelle.
"Es wird sich für ihn fügen. Leben oder Tod, das ist nicht meine Entscheidung. Vielleicht sind wir seine Hilfe.", sagte sie lächelnd. Es klang nicht spöttisch.
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