von Agnellina » Sa Jun 07, 2025 12:24 pm
Die Haltung von Jaroslaw und Jagna zur Erziehung des Mädchens waren teilweise konträr. So war Jagna daran gelegen, das zu erhalten, was das Mädchen an Geduld, Duldsamkeit und auch weiblicher Zurückhaltung von Vater und Mutter gelernt hatte. Ihr missfiel es, wenn sich Mariolka nicht zügelte, sondern häufig die Fäuste für sich sprechen ließ. Mochte Jaroslaw das mit einem Lachen zur Kenntnis nehmen, so sah die Gangrel etwas weiter in die Zukunft. Sie hatte nichts dagegen, dass das Mädchen sich wehren und behaupten konnte, doch wollte sie es auch sicher eingebettet in Hierarchie und Ordnung wissen. Allzu forsches Aufbegehren war unangemessen und ungesund. Sie musste wissen, wo ihr Platz war und wurde von Jagna nachdrücklich daran erinnert. Züge von Neigung zum Jähzorn und eine nachlässige Unordnung des Umfeldes, wie sie Jaroslaw in sich trug, bekämpfte Agnellina in Mariolka scharf und auf bewährte Weise. Dass die Gangrel nicht dauerhaft direkten Einfluss auf die Erziehung ausüben konnte, gab Jaroslaw einen Vorteil in der Formung des Mädchens nach seinem Geschmack.
****
Vor dem Seneschall knickste Jagna ehrerbietend vor der Voivoda und auch ihm zollte sie die Achtung, die seiner Position zustand. Agnellina hatte langsam durchschaut, wie sich die Hierarchie dieser Burg zusammen setzte. Wenigstens in sterblichen Augen. Marzannas Eingreifen durch Bande, Befehle und Augenwischerei hatte sich für sie noch immer nicht vollends erschlossen. So blieb sie vorsichtig in dem, wie sie sich gab und versuchte weiterhin, als eine Art Vasallin in direkter Gefolgschaft Marzannas aufzutreten.
„Księżniczka, ich bringe Euch Zeichen aus dem Osten. Ich kann nicht beurteilen, ob dies einen Nutzen für Euch haben wird oder zu Eurer Zufriedenheit beitragen könnte. Wenn Ihr gütigst Eure Augen darauf richten wollt…“
Die Gangrel wählte ihre Worte mit Bedacht, während sie präsentierte, was sie gefunden hatte.
Der Sack trug die Spuren einer längeren Reise in der Natur. Hin und wieder hatte Morgentau ihn durchnässt, so manches morsches Holz hohler Bäume auf ihn gemalt. Von schweren Steinen bedeckt hatte er den ein oder anderen Tag zugebracht. Er war viele Tag so sicher wie möglich aufbewahrt worden, während er mit der Gangrel reiste. Materieller Besitz war eine herausfordernd zu händelnde Belastung für Ennoias Kinder.
Agnellina zeigte der Tzimisce mit stummen Fingern die Blutreste am Saum des Sackes.
„Die Wege sind gefährlicher geworden. Östlich von Krakau verschwinden Boten. Zungen lockern sich schwer in den Gasthöfen und wenn, so tragen sie seltsame Geschichten. Reisende sind nachts nicht lagernd nahe der Wege zu finden, als sei selbst den Verwegensten jeglicher Mut genommen. Oder diese Tollkühnen sind jene, dessen Habe hier vor Euch liegt. Es war verlassen. Nicht vergessen, es war durchsucht, doch nicht beraubt., soweit ich das erkennen konnte.“
Sie zeigte Marzanna den Inhalt. Ein Kamm aus Holz. Gewöhnlich, wie es schien. Ein Fragment, auf dem Marzanna ein Reimgebet ausmachen konnte. Vielleicht der Teil einer Predigt? Es folgten ein kleines Holzkreuz und eine zerrissene Schnur. Agnellina schöpfte die Perlen dazu. Holzperlen, verschieden groß. So die Gangrel alles gefunden und unterwegs nichts verloren hatte, konnte Marzanna ohne zu Zählen erahnen, dass ihr hier sechs größere und dreiundfünfzig kleine Perlen aufgehäuft wurden.
„Es war zerbrochen. Keine Spuren umher. Kein weiteres Blut, keine Leichen, keine Zeugen. Nur dieser Sack und sein Inhalt.“
Sie entfaltete das eingeschlagene Tuch. Der Fetzen mochte einst eine stolze Standarte gewesen sein. Er war durchbohrt worden und brandig geschwärzt. Das Wappen war kaum noch zu erkennen.
„Das war andernorts. Der Geruch hat sich bereits sehr verflüchtigt. Doch es roch seltsam, als ich es fand. Rauch und Ruß, doch irgendwie… falsch.“
Die Ratlosigkeit klang durch. Die Gangrel wusste nicht, was sie da genau gefunden hatte. Doch weil sie der Fund beunruhigte, hatte sie es mitgebracht und hoffte vermutlich auf Deutung. Sie kniete hinter den ausgebreiteten Funden und sah zu Marzanna auf. Die dunklen, braunen Augen hatten sich ein wenig verändert. Der Schatten von Besorgnis, die aggressive Verwirrung des inneren Tieres störten die lebensnahe Wärme, die sie sonst trugen.
„Die Wälder auf der anderen Seite Krakaus sind seltsam geworden. Als hätten Bäume und Tiere, als hätten Erde und Natur selbst… sie spüren etwas. Ich kann es schwer in Worte fassen. Hier ist es nicht so. Bisher vielleicht, noch nicht. Doch es kommt näher, Księżniczka. Dort schweigen die Wölfe und doch heulte es in mancher Nacht. Es sind nicht die Hunde der Gasthöfe. Es… klingt als heulen die Geister von Hunden, vor denen sich Pawlina mit eingeklemmten Schwanz unter Eure Röcke flüchten würde. Nichts ist dabei zu sehen. Es kommt nicht aus einer Richtung. Die gewohnte Stimme des Windes schweigt, während das Heulen von ihm getragen über die Felder weht. Die Sterne flackern in diesen Nächten wie Kerzen im scharfen Zug der Luft. Der Himmel trägt Farben eines Gewitters. Das Licht von dort oben ist grell und düster, als würden Blitze aus den Wolken fahren, obwohl es eine sternklare Nacht ist. Kein Laut grollt aus den Wolken, wenn die Geisterhunde heulen und der Himmel flackert.
Die Tiere vom kleinsten bis zum größten sind unruhig. Die zahmen scheuen ohne Grund und bäumen sich auf, obwohl kein sterbliches Auge einen Grund finden kann. Und ich habe einen Ort gefunden, an dem der Boden selbst nach Unheil und Bosheit stinkt. Der Bauch sticht einen, der Nacken wird einem kühl, wenn man dort wandelt. Etwas hat ihn geschnitten und sein Gift in ihn geritzt.“
Agnellinas Finger kratzte ruckartige zittrige Linien in die Luft. Ohne erkennbares Muster. Als wolle sie sichtbar machen, was ihr Auge gesehen hatte ohne es zu verstehen oder mitbringen zu können.
„Księżniczka, da ist Hexenwerk im Gange. Die Erde trägt es bereits. Hier in Euren Wäldern und auf Euren Wegen habe ich es nicht gefunden. Doch Mariolka klagte damals über eine Macht, einen Fluch, der sie ergriffen und gelähmt hat, als die Räuber über ihre Leute und sie herfielen. Es ist Wochen her, doch bitte seht Euch das Kind an. Was dort aus dem Osten kommt, das sind nicht nur Räuber und Schurken. Das sind nicht nur diese reitenden Wilden, welche die Städte schleifen wollen. Es ist eine böse Macht dabei.“
Die Haltung von Jaroslaw und Jagna zur Erziehung des Mädchens waren teilweise konträr. So war Jagna daran gelegen, das zu erhalten, was das Mädchen an Geduld, Duldsamkeit und auch weiblicher Zurückhaltung von Vater und Mutter gelernt hatte. Ihr missfiel es, wenn sich Mariolka nicht zügelte, sondern häufig die Fäuste für sich sprechen ließ. Mochte Jaroslaw das mit einem Lachen zur Kenntnis nehmen, so sah die Gangrel etwas weiter in die Zukunft. Sie hatte nichts dagegen, dass das Mädchen sich wehren und behaupten konnte, doch wollte sie es auch sicher eingebettet in Hierarchie und Ordnung wissen. Allzu forsches Aufbegehren war unangemessen und ungesund. Sie musste wissen, wo ihr Platz war und wurde von Jagna nachdrücklich daran erinnert. Züge von Neigung zum Jähzorn und eine nachlässige Unordnung des Umfeldes, wie sie Jaroslaw in sich trug, bekämpfte Agnellina in Mariolka scharf und auf bewährte Weise. Dass die Gangrel nicht dauerhaft direkten Einfluss auf die Erziehung ausüben konnte, gab Jaroslaw einen Vorteil in der Formung des Mädchens nach seinem Geschmack.
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Vor dem Seneschall knickste Jagna ehrerbietend vor der Voivoda und auch ihm zollte sie die Achtung, die seiner Position zustand. Agnellina hatte langsam durchschaut, wie sich die Hierarchie dieser Burg zusammen setzte. Wenigstens in sterblichen Augen. Marzannas Eingreifen durch Bande, Befehle und Augenwischerei hatte sich für sie noch immer nicht vollends erschlossen. So blieb sie vorsichtig in dem, wie sie sich gab und versuchte weiterhin, als eine Art Vasallin in direkter Gefolgschaft Marzannas aufzutreten.
„Księżniczka, ich bringe Euch Zeichen aus dem Osten. Ich kann nicht beurteilen, ob dies einen Nutzen für Euch haben wird oder zu Eurer Zufriedenheit beitragen könnte. Wenn Ihr gütigst Eure Augen darauf richten wollt…“
Die Gangrel wählte ihre Worte mit Bedacht, während sie präsentierte, was sie gefunden hatte.
Der Sack trug die Spuren einer längeren Reise in der Natur. Hin und wieder hatte Morgentau ihn durchnässt, so manches morsches Holz hohler Bäume auf ihn gemalt. Von schweren Steinen bedeckt hatte er den ein oder anderen Tag zugebracht. Er war viele Tag so sicher wie möglich aufbewahrt worden, während er mit der Gangrel reiste. Materieller Besitz war eine herausfordernd zu händelnde Belastung für Ennoias Kinder.
Agnellina zeigte der Tzimisce mit stummen Fingern die Blutreste am Saum des Sackes.
„Die Wege sind gefährlicher geworden. Östlich von Krakau verschwinden Boten. Zungen lockern sich schwer in den Gasthöfen und wenn, so tragen sie seltsame Geschichten. Reisende sind nachts nicht lagernd nahe der Wege zu finden, als sei selbst den Verwegensten jeglicher Mut genommen. Oder diese Tollkühnen sind jene, dessen Habe hier vor Euch liegt. Es war verlassen. Nicht vergessen, es war durchsucht, doch nicht beraubt., soweit ich das erkennen konnte.“
Sie zeigte Marzanna den Inhalt. Ein Kamm aus Holz. Gewöhnlich, wie es schien. Ein Fragment, auf dem Marzanna ein Reimgebet ausmachen konnte. Vielleicht der Teil einer Predigt? Es folgten ein kleines Holzkreuz und eine zerrissene Schnur. Agnellina schöpfte die Perlen dazu. Holzperlen, verschieden groß. So die Gangrel alles gefunden und unterwegs nichts verloren hatte, konnte Marzanna ohne zu Zählen erahnen, dass ihr hier sechs größere und dreiundfünfzig kleine Perlen aufgehäuft wurden.
„Es war zerbrochen. Keine Spuren umher. Kein weiteres Blut, keine Leichen, keine Zeugen. Nur dieser Sack und sein Inhalt.“
Sie entfaltete das eingeschlagene Tuch. Der Fetzen mochte einst eine stolze Standarte gewesen sein. Er war durchbohrt worden und brandig geschwärzt. Das Wappen war kaum noch zu erkennen.
„Das war andernorts. Der Geruch hat sich bereits sehr verflüchtigt. Doch es roch seltsam, als ich es fand. Rauch und Ruß, doch irgendwie… falsch.“
Die Ratlosigkeit klang durch. Die Gangrel wusste nicht, was sie da genau gefunden hatte. Doch weil sie der Fund beunruhigte, hatte sie es mitgebracht und hoffte vermutlich auf Deutung. Sie kniete hinter den ausgebreiteten Funden und sah zu Marzanna auf. Die dunklen, braunen Augen hatten sich ein wenig verändert. Der Schatten von Besorgnis, die aggressive Verwirrung des inneren Tieres störten die lebensnahe Wärme, die sie sonst trugen.
„Die Wälder auf der anderen Seite Krakaus sind seltsam geworden. Als hätten Bäume und Tiere, als hätten Erde und Natur selbst… sie spüren etwas. Ich kann es schwer in Worte fassen. Hier ist es nicht so. Bisher vielleicht, noch nicht. Doch es kommt näher, Księżniczka. Dort schweigen die Wölfe und doch heulte es in mancher Nacht. Es sind nicht die Hunde der Gasthöfe. Es… klingt als heulen die Geister von Hunden, vor denen sich Pawlina mit eingeklemmten Schwanz unter Eure Röcke flüchten würde. Nichts ist dabei zu sehen. Es kommt nicht aus einer Richtung. Die gewohnte Stimme des Windes schweigt, während das Heulen von ihm getragen über die Felder weht. Die Sterne flackern in diesen Nächten wie Kerzen im scharfen Zug der Luft. Der Himmel trägt Farben eines Gewitters. Das Licht von dort oben ist grell und düster, als würden Blitze aus den Wolken fahren, obwohl es eine sternklare Nacht ist. Kein Laut grollt aus den Wolken, wenn die Geisterhunde heulen und der Himmel flackert.
Die Tiere vom kleinsten bis zum größten sind unruhig. Die zahmen scheuen ohne Grund und bäumen sich auf, obwohl kein sterbliches Auge einen Grund finden kann. Und ich habe einen Ort gefunden, an dem der Boden selbst nach Unheil und Bosheit stinkt. Der Bauch sticht einen, der Nacken wird einem kühl, wenn man dort wandelt. Etwas hat ihn geschnitten und sein Gift in ihn geritzt.“
Agnellinas Finger kratzte ruckartige zittrige Linien in die Luft. Ohne erkennbares Muster. Als wolle sie sichtbar machen, was ihr Auge gesehen hatte ohne es zu verstehen oder mitbringen zu können.
„Księżniczka, da ist Hexenwerk im Gange. Die Erde trägt es bereits. Hier in Euren Wäldern und auf Euren Wegen habe ich es nicht gefunden. Doch Mariolka klagte damals über eine Macht, einen Fluch, der sie ergriffen und gelähmt hat, als die Räuber über ihre Leute und sie herfielen. Es ist Wochen her, doch bitte seht Euch das Kind an. Was dort aus dem Osten kommt, das sind nicht nur Räuber und Schurken. Das sind nicht nur diese reitenden Wilden, welche die Städte schleifen wollen. Es ist eine böse Macht dabei.“