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[1257] Feuerstein [Arash, Zofia]
Verfasst: Sa Sep 14, 2024 4:22 pm
von Zofia
Der Mond stand in einer hellen strahlenden Scheibe am Nachthimmel von Krakau, als eine Frau im schwarzen Habit der Benediktinerinnen entlang des Ufers der Białucha schritt. In ihrer Hand trug sie eine Laterne, in welcher hinter dünngeschabten Häuten eine kleine Kerze leuchtete, während an ihrer Seite ein kleiner dunkler Beutel baumelte, in welchen sie dann und wann die Dinge packte, welche sie vom flacheren Kieselstrand auflas, den der niedere Wasserstand freigelegt hatte.
Re: [1257] Feuerstein [Arash, Zofia]
Verfasst: Sa Sep 14, 2024 9:30 pm
von Zofia
Zuerst hatte Zofia das seltsam anmutende Gebilde in der Ferne für eine Statue an die alten Götter gehalten. Oder gar einem fahlen Baum, dessen schutzlose Haut unter der Rinde von der Zeit und der Sonne gebleicht worden war. Doch als sie ihn als dem Gehörnten selbst ausgemacht hatte, erstarrte sie unmittelbar in ihrer Bewegung und bekreuzigte sich, bevor sich der Griff ihrer freien Hand fester um das große silberne Kreuz an ihrem Rosenkranz geschlossen und sie innerlich ein leises, kurzes Gebet gen Himmel ausgestoßen hatte. Hin und hergerissen zwischen dem inneren Begehren sich anzunähern, und dem natürlichen Instinkt der Flucht, stand sie da und betrachtete ungläubig das Tier im blassen Mondlicht.
Re: [1257] Feuerstein [Arash, Zofia]
Verfasst: Mi Sep 18, 2024 11:15 am
von Zofia
Fasziniert betrachtete die Nonne wie das zappelnde Wesen unsanft aus dem kalten Nass gerissen wurde, bevor sie auf die Frage hin den Kopf schüttelte und dabei an ihrem Rosenkranz herumnestelte. „Gott schenke dir einen guten Abend und Frieden in deinem Herzen.“, erwiderte Zofia zögerlich, wenn auch freundlich bemüht, nachdem sie ihre Stimme wiedergefunden hatte.
Dann wog sie ihr Haupt nachdenklich hin und her, bevor sie unsicher meinte: „Und was deine Frage angeht... Keines von Beidem... Irgendwie.“ Braune Augen wanderten eindringlich über das seltsame Wesen, während sie wachsam blieb. „Und du? Jagst du auch Anderes denn Fische? Oder wirst von Jemandem oder etwas gejagt?“
Re: [1257] Feuerstein [Arash, Zofia]
Verfasst: Sa Sep 21, 2024 10:33 pm
von Zofia
„Nicht, dass ich wüsste, nein.“, erklärte die Benediktinerin, die ihren Kopf schüttelte. „Ich sammle Flint.“, gab sie ihm wahrheitsgemäß zu verstehen, bevor sie ihn weiter eindringlich musterte und schließlich vorsichtig, geradezu skeptisch fragte, dabei ihre bleiche Hand fester um das Kreuz geschlossen: „Wer ist eure Familie, dass ihr Menschen für sie jagt?“ Seine erste Frage nach dem was sie genau sei bewusst ignorierend. Oder sie kannte schlicht keine Antwort darauf. Oder sie kannte sie, aber es war keine Antwort, die sie mit einem unbekannten, gehörnten Fremden einfach so teilen würde.
Re: [1257] Feuerstein [Arash, Zofia]
Verfasst: Mi Okt 02, 2024 10:39 pm
von Zofia
Einzelne Perlen des Rosenkranzes an ihrer Seite wanderten durch die schlanken Finger der Nonne, während sie den Jäger noch immer zögerlich musterte, derweil sie sich erkundigte: „Weshalb jagt ihr die Geschöpfe des Herrn? Fürchtet ihr denn nicht seinen gerechten Zorn, der auf euch danieder fahren und euch richtend wird, so ihr ihnen ein Leid antut?“
Re: [1257] Feuerstein [Arash, Zofia]
Verfasst: Sa Okt 19, 2024 2:00 pm
von Zofia
„Menschen sind keine Tiere. Noch wie Tiere.“, stellte Zofia klar fest, während ihre Augen auf seinen Hörnern verblieben. „Der Herr lehrte uns, welche seiner Geschöpfe rein und welche unrein für den Verzehr sind.“, erklärte die Nonne, ohne dabei tiefer auf die Frage einzugehen, wovon sie sich selbst wohl ernährte.
Dann neigte sich ihr Kopf leicht schief zu Seite, als sich der Mond in den fliegenden Schuppen des Fisches spiegelte. Mit sehr vorsichtigen und langsamen Schritten begann sie sich dem fremdartigen Wesen anzunähern. Dabei ihren Blick mehr auf die vor Feuchtigkeit glitzernde Außenhaut des Fisches fallend, in dessen Richtung sie zuhielt.
„Ihr sagt in der Regel und doch klingt es für mich, als würde jene Regel Ausnahmen kennen.“, spiegelte sie mit ruhigen Worten wieder was sie hörte als er sprach. Ihre Augen glitten leicht in seine Richtung als sie feststellte: „Und als Jäger kennt ihr sicher wohlgesetzte Schnitte und Stiche, die ein Schreien verhindern.“ Ein einseitiges, fast schon makaber wirkendes Lächeln verweilte kurz auf ihren Lippen, als sie die Tatsache nicht schreien zu können, wohl nicht als ausreichende Begründung sah, einem Menschen kein Leid zugefügt zu haben.
„Unser Herr und König aber sprach: was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan. Dann wird er auch sagen zu denen zur Linken: Geht weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln.“, offenbarte sie ihm sein Schicksal ohne hörbare Drohung, wenn auch das Kreuz noch immer in ihren Fingern haltend, bevor ihr Blick sich wieder mehr der glänzenden Schuppe auf einem der Steine zuwandte, ihn dennoch im Augenwinkel weiter beobachtend, als sie sich erkundigte: „Wie nennt man euch?“
Re: [1257] Feuerstein [Arash, Zofia]
Verfasst: Sa Okt 19, 2024 8:50 pm
von Zofia
„Die Meisten nennen mich Schwester Zofia.“, erwiderte die Nonne mit einem freundlichen Nicken, während sie inzwischen nahegenug gekommen war, dass Arash von dem Schein der Lampe in ihrer Hand geküsst wurde. „Einige Wenige die Nachkommin von Gregor von Tarnów aus der Linie des Kappadozius, dem Kinde Irads.“, sprach Zofia in einem unaufgeregtem Tonfall weiter, als gäbe es eben diese und jene Seite von ihr.
Je näher sie gekommen war, umso mehr war ihr heller Hautton im Schein der Lampe sichtbar geworden, derweil sie sprach: „Es geht nicht um das Hier und Jetzt. Oder dem Überleben. Sondern dem, was sein wird, so ihr einmal nicht mehr seid. Dem was danach kommt. Dem was mit eurer unsterblichen Seele dann geschieht. Ihr glaubt doch an ein Leben nach dem Tod?“ Fragend blickte sie auf ihn.
Dann deutete sie auf die Schuppe, welche unweit von der Stelle lag, an welcher er den Fisch reinigte. Offenkundig war sie vorsichtig und näherte sich nicht weiter an, als einen gewissen Abstand, den zu überschreiten, sie wohl selbst als provokativ eingeschätzt hatte. „Darf ich?“, erkundigte sie sich, derweil ruhig auf den glänzenden Abfall auf dem Stein liegend deutend.
Re: [1257] Feuerstein [Arash, Zofia]
Verfasst: Fr Nov 01, 2024 1:14 pm
von Zofia
Trotz dem warmen Licht der Lampe, welche sie bei sich trug, war Zofias Haut so blass, als würde sie die schützenden Klostermauern nie verlassen. Abseits der spinnenbeinartigen langen Finger war kaum etwas von ihrem Körper zu sehen, mit Ausnahme ihres Gesichtes. Ihre braunen Brauen waren leicht geschwungen, während ihre ebenso farbigen Augen kaum weniger aufmerksam als die seinen wirkten, als sie ihn ebenso musterte, wie er es tat. Die Wangen des herzförmigen Gesichtes waren zu erahnen, während ihre gerade Nase auf einen Mund deutete, dessen Winkel leicht nach oben gerichtet waren. Insgesamt wirkte ihr Äußeres jedoch geradezu gewöhnlich. Wie das von Jemandem, der in der breiten Masse einfach untergehen würde, da ihm das Besondere fehlte. Insbesondere, da die Haare und der Körperbau unter den Roben des Benediktinerordens nicht zu erahnen waren. Insgesamt war ihre Statur aber kleiner als die seine und schmaler.
„Ich weiß nicht, was mich erwarten wird.“, gestand Zofia demütig, bevor sie sich zu der kleinen Schuppe niederhockte und diese im Schein der Lampe nachdenklich betrachtete, dabei ihr eigenes Licht entfernend und wieder nähernd, als sie den Verlauf und die Veränderungen des Schimmers dabei beobachtete, den Mann mit der Waffe im Augenwinkel behaltend. „Was wird von dir verlangt zu tun, damit Veles dir gestatten wird in sein Reich einzutreten? Damit er deine Sehnsucht nach ewigem Segeln und Fischen erfüllt? Damit dein Boot voll sein wird mit gefangenem Fisch, und nicht mit Löchern, die du stopfen musst, um nicht unterzugehen?“, erkundigte sich die Nonne neugierig und vorwurfsfrei, ganz so als würde sie sich tatsächlich für die Geschichten der alten Götter interessieren.
Re: [1257] Feuerstein [Arash, Zofia]
Verfasst: So Nov 03, 2024 4:33 pm
von Zofia
„Keine Götter.“, erklärte die Nonne, dabei die Schuppen gegen das Licht des Mondes haltend, so dass sie durch diese hindurchblicken konnte. „Nur einen Einzigen. Einen, der keine anderen Götter neben sich kennt oder auch duldet.“, stellte sie fest, während drei ihrer Finger das Schüppchen noch immer in die Höhe hielten. „Er wird in der Dreieinigkeit des Seins verehrt. Als Gott Vater, Gott Sohn und Gott Heiliger Geist.“, ergänzte sie die Komplexität ihres Glaubens.
„Der himmlische Vater beschützt die Menschen und leitet sie. Jesus, sein eingeborener Sohn, hat mit Worten und Taten von der Liebe Gottes erzählt. Er ist nach seinem Tode am Kreuz auferstanden und zu seinem Vater in den Himmel aufgefahren. Zur Vergebung der Sünden der Menschen und als Zeichen, dass auch sie nach dem Tod bei Gott sein werden. Und als Heiliger Geist, der bei uns Zeit unseres Daseins ist.“, versuchte sie ihm die heilige Schrift näher zu bringen.
Zofia senkte ihren Arm und hielt nun die Schuppe gegen das Licht der Lampe, als sie sprach: „Gott ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er hat alles erschaffen. Und er ist es, der die Lebenden und die Toten richten wird. Jene, die glauben und nach seinen Regeln leben, werden das Himmelreich sehen und werden bei Gott bleiben all ihrer Tage. Doch Jene, die sündigten gegen seine Gebote, Jene, die ihn verneinen oder auch Jene, die Böses getan haben und dies nicht bereuen, werden in ein Reich der ewigen Qualen verstoßen.“
Sie schwieg einen Moment, während sie das funkelnde Stück einstigen Lebens im Feuerschein nachdenklich hin und her drehte, um schließlich zu erklären: „Jene aber, die glauben und ihre Taten aufrichtig bereuen, jedoch im Leben keine Absolution fanden, werden dagegen zur Buße in die reinigende Glut des Fegefeuers geworfen, in der Hoffnung Gnade durch Gott den Herrn zu erfahren.“
Zofia führte die Schuppe zu ihrer Nase und schnupperte leicht daran, bevor sie diese in ein anderes Beutelchen unter ihrem Gewand wandern ließ und sie sich gemeinsam mit ihrer Lampe in den Händen erhob. „Du siehst, ein jeder Mensch kennt sein Schicksal. Seinen Weg. Auch jedes Tier. Doch sie sind sich im Gegensatz zu uns, der Göttlichkeit nicht bewusst. Deshalb kannst du das Leben einer Ameise auch nicht mit unserem Dasein vergleichen. Du bist kein Gott, der Regeln für eine Ameise aufstellen könnte, denn sie weiß bereits, was ihre Aufgabe in der Welt ist. Wir aber sind uns des Göttlichen in allen Dingen bewusst. Wir haben einen Verstand.“, erläuterte sie den Unterschied.
„Weshalb also sollte dich Veles, so er ein Gott ist, wie du sagst, beschenken, wo du doch zeitlebens nichts für ihn getan hast, wie du sagst?“, erkundigte sie sich weiterhin interessiert und vorwurfsfrei, ganz so als würde sie nicht verstehen, wie er erwarten konnte, dass etwas Göttliches, etwas für ihn tat, so er selbst zuvor nichts getan hatte für ihn.