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[1260] Der Herrin zu Füßen [Agnellina, Marzanna, Vadim]

Verfasst: Mo Sep 01, 2025 12:07 am
von Agnellina
Leichter Nieselregen hatte am späten Nachmittag eingesetzt und sich über den Abend hinweg gehalten. Die früh einsetzende Nacht hatte keine Verbesserung des Wetters gebracht, sich eher noch durch ein dünnes Nebeltuch unwirklicher gemacht.
Agnellina wartete jenseits des westlichen Stadttores am Waldrand. Sie trug eine braune Tunika, Beinlinge und Stiefel. Eine wollene Kapuze schützte ihre gestutzten Haare vor der Nässe. Ein matt silbrig schimmerndes Abzeichen, eine Art kleine Fibel steckte auf Brusthöhe in der Tunika und wies sie irgendeinem Haus als zugehörig aus. Der über den Rücken getragene Köcher mit Pfeilen und ein kurzer Jagdbogen, sowie die umgehängte Jagdtasche vervollständigten das Bild, welches sich vom schlichten weiblichen Kleid in der Taverne vor einigen Tagen zu jemanden gewandelt hatte, der sein Tagwerk in Wald und Flur bestritt.
Ungerührt ob des ungemütlichen Wetters hielt sie Ausschau nach dem verabredeten Gast, welchen sie durch das Land zur Herrin von Rudawa zu führen trachtete.

Re: [1260] Der Herrin zu Füßen [Agnellina, Marzanna, Vadim]

Verfasst: Mo Sep 01, 2025 8:53 pm
von Vadim Kryllatyy
Zügige Schritte auf dem durchgeweichten Boden kaum zu hören durch den mannigfaltigen Regen auf den einzelnen Blättern, näherten sich Agnellina. Der Regen fiel auf die einfachen Klamotten des Mannes, weichten sie auf und gaben seine drahtige, fast magere Gestalt preis, welche viele der Flüchtlinge aus unterschiedlichen Gründen teilten.

Weder Temperatur noch Nässe schienen Vadim etwas auszumachen, und weshalb auch - er war tot. Zielstrebig ging er den Weg entlang, wobei er erst relativ spät seine Einladung am Wegesrand bemerkte. Ein paar Schritte, dann war er bei ihr:

"Guten Abend Agnellina." Grüßte er sie höflich:

"Ich hoffe ihr wartet noch nicht lange, die Wache hat zunächst überlegt mich aufzuhalten, und mich belehrt um die Gefahren die es Nachts auf den Straßen gibt."

Er musterte sie kurz, ihre Jagdausrüstung samt passenden Waffen:

"Kommt ihr gerade selbst von der Jagd oder ist es üblich ein Geschenk zu erlegen bevor man der Herrin dieser Domäne begegnet?".

Re: [1260] Der Herrin zu Füßen [Agnellina, Marzanna, Vadim]

Verfasst: Di Sep 02, 2025 8:28 pm
von Agnellina
Der Baum bot etwas Wetterschutz und in seinem Schatten harrte sie still in der Nacht aus. Es war zu weit für die Augen der Wachen der Stadtmauer. Nach Westen ging der Weg ein Stück über freigeschlagenes Land. Keine Deckung für Angreifer. Das Holz so nah an der Stadt war lange geschlagen und in die Schutzanlagen eingebaut. Die freie Fläche wurde von den Wächtern kontrolliert, bis die Nacht ihr Tuch über den Reisenden legte.

Agnellina musterte Vadim mit einem blassen Lächeln, welches recht freundlich und zugewandt wirkte, wenngleich es durch den Regen, die Dunkelheit und ihre Kopfbedeckung nur schwer zu erkennen war. Ungeachtet des ungemütlichen Wetters wirkte sie ruhig und aufmerksam und schien geduldig auf ihn gewartet zu haben.
Auf seine Begrüßung hin neigte sie den Kopf und hielt ihn einen Moment, damit er diese Geste sicher einordnen konnte.

„Gu-ten A-ben’.“, brachte sie konzentriert hervor. „Nein. - Ich - war-te - noch nich - lange.“
Das Problem war hörbar noch nicht behoben, wenngleich sie ihre Zunge - unter Kosten der Flüssigkeit der Sprache - besser im Griff hatte.
„Her - Weg - ist - weit. - Kommt. - Hie Nacht - war- tet - nich.“
Sie drängte auf einen zügigen Aufbruch. Auch ohne unnötige Verzögerungen würden sie vier oder fünf Stunden brauchen, bis sie den Stammsitz erreichen würden.

„Kein - Ge-schenk. - Mei-ne - Auf- gga- be. Ich - darf - dort - ja-gen.“
Agnellina strich über das Abzeichen, welches ihr das Hoheitsrecht der Jagd im Gebiet der Voivodin zusicherte. Der Bogen zeigte dies zusätzlich.
Während sich das einfache Volk allenfalls mit Fallen und Schlingen etwas Wildbret im Wald auf den Teller holen konnte, schien Agnellina eindeutige Privilegien zu genießen.

Re: [1260] Der Herrin zu Füßen [Agnellina, Marzanna, Vadim]

Verfasst: Mi Sep 03, 2025 6:07 am
von Vadim Kryllatyy
Ohne Gegenfrage setzte Vadim sich in Bewegung, auch wenn er sich einen Moment Zeit nahm, um das Abzeichen der Jägerin näher in Augenschein zu nehmen.
Nach einer Weile des Gehens nahm er das Gespräch doch auf:

"Du hast beim letzten Mal die Regeln der Voivodin nur am Rande erwähnt. Gibt es etwas auf das ich achten sollte? Eine Eigenheit oder Tradition welche sie in ihrer Domäne durchsetzt?".

Re: [1260] Der Herrin zu Füßen [Agnellina, Marzanna, Vadim]

Verfasst: Mo Sep 15, 2025 9:27 pm
von Agnellina
Die angesteckte Fibel, deren Scheibe als Abzeichen fungierte, war mit einer Art Tier geprägt oder gegossen. Das Tier wirkte wie eine Chimäre und erstreckte sich strahlenförmig in sechs Richtungen. Oben war ein Kopf mit einem Maul, nach rechts gewandt, und mit einem Schopf nach links versehen. Spitze Ohren ragten unter dem Schopf hervor. Das Haupt des Tieres thronte auf einer schuppigen Brust und ging über in einen sich entgegen dem Sonnenlauf nach rechts kringelnden Schweif. Zwei ähnlich dem Schweif gestaltete Flügel, deren Enden sich beide im mit dem Sonnenlauf lockten ragten vom Rücken der Chimäre nach rechts und links hinter dem Körper hervor. Zwei kräftige Arme mit klauenähnlichen Händen füllten die strahlenförmige Anordnung der Ausläufer des Körpers. Das ganze Wesen strahlte Kraft und eine fremd anmutende oder vielmehr sehr alte Spiritualität aus.

„Happ Ach-tung. - Bbl-eib - auf - hen - We-gen. - Hu - bist - heu-te - er-war-tet. - Oh-ne An-mel-hung - komm - nich‘.“

Sie bemühte sich zu antworten. Gleichzeitig ging sie mit entschlossenen Schritten in die Dunkelheit hinaus. Ihre Augen waren das schattige Zwielicht unter den Baumkronen gewohnt und sie kannte den Weg gut. Agnellina bewegte sich sicher und mit dem Tempo derjenigen, die nicht außer Atem geraten konnten. An ganz finsteren Stellen half ihre blutgeborene Seite mit dem Aufflammen des höllischen Leuchtens in ihren Augen weiter, doch dies schien kaum notwendig und eher aus Gewohnheit heraus zu geschehen.

Hin und wieder hielt sie unvermittelt inne, gab ihm ein klares, herrisches Handzeichen dabei und lauschte in diesen Momenten regungslos in die Nacht. Die Gangrel war auf der Hut und darauf bedacht Begegnungen mit Sterblichen oder auch anderen Gefahren zu umgehen. Sie plante ihn auf schnellstem Wege und möglichst unbeschadet zur Festung der Księżniczka zu bringen.

Dort in Rudawa angekommen ging sie direkt zur Torwache. Sie zeigte offen ihr Gesicht und brachte dann - allerdings die Hand vor dem Mund haltend - mehr oder minder klar hervor: „Mellet: Jagna mik gen Gascht hür hie Herrin.“
Sie hörte selbst, dass es nicht so verständlich heraus kam wie beabsichtigt.
Mit über sich selbst verdrehten Augen verkürzte sie die Meldung noch einmal und versuchte es wieder mit größeren Pausen.
„Mmel-det. Jagna - icht - hier. Ich - hill…“
Unwirsch brach sie ab. Deutete auf sich, nachdrücklich auf die Burg und machte dann eine Handbewegung, die ihre Begleitung ihr zugehörig markieren sollte.

Re: [1260] Der Herrin zu Füßen [Agnellina, Marzanna, Vadim]

Verfasst: Di Sep 16, 2025 3:24 pm
von Marzanna
Wie ein stachliger Igel wirkte die Umgebung der Burg. Angespitzte Pfähle ragten schräg aus dem Boden nach außen, um Reiter abzuwehren. Tiefe Gräben waren ausgehoben worden und der Regen der letzten Wochen hatte den aufgewühlten Boden in Morast verwandelt. Dem Zwinger der Burg war ein Vorwerk erwachsen und hölzerne Wehrgänge den Zinnen ausgesetzt, damit keine Sturmleiter angelehnt werden konnte und Feinde darunter mit Steinen und siedendem Öl begossen werden konnten.
Die eigentlich nicht so große Burg war zu einem Menschen verschleißenden Fleischwolf ausgebaut worden, wohl in der Absicht, den feindlichen Mongolen den Preis vor Augen zu führen, wollten sie diese Festung einnehmen.

Auch waren der Wachen am Tor viele und sie waren schon von weitem durch Posten informiert worden, dass Ankömmlinge nahten. Die, die die Vampire empfingen, waren die Bratowitsch-Söldner mit ihrer Menagerie von Wölfen, Hunden, Bären und Raubvögeln.

Schnell wurde die Herrin gerufen und bleich wie der Mond hoben sich alsbald ihre helle Haut und ihr güldenes Haar aus der Düsternis hervor. Über ihr wehte die Fahne, deren Tiergestalt schwarz auf rotem Grund der Scheibenfibel der Gangrel ähnelte.

Umgeben von Gepanzerten hob die Fürstin stolz ihr Haupt.
"Wer begehrt Einlass in Burg Radwan der Domäne Rudawa? Wen bringst du mir als Gast, meine Wildhüterin?", hallte ihre Stimme in die Nacht hinaus. Blaue Augen, unwirklich und unmenschlich wie die eines Huskys starrten den Unbekannten an.