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Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: Sa Okt 12, 2024 10:26 pm
von Agnellina
Jagna sah sie an. Die braunen Augen schauten von unten herauf. Es wirkte ein bisschen schüchtern und sie bemühte sich den direkten Blickkontakt zu vermeiden, aber gleichzeitig versuchte sie die Augen der Gastgeberin zu lesen. Ihr Blick war nachdenklich und sie bewertete mit jeder Aussage Marzannas zu Göttern, Anbetungen und ihren Erfahrungen mit den Deutschen diese neu. Die Bezeichnung der eigenen Art als kleine Götter der Nacht wurde von ihrem Blick nicht mitgetragen.
„Fremde Zungen und fremdes Schweigen klingen oft schauderhaft.“, stimmte sie ihr zu.
Jagna legte den Kopf ein wenig schief und wog sorgfältig ab. Sie runzelte die Stirn, als sie den geäußerten Wunsch Marzannas durchdachte.
„Ein Abbild Eures Dorfes so wie die Mäusestadt beim Gauklerspiel.“, wiederholte sie, als müsse sie ihre Gedanken selbst hören, um sie denken zu können. „Für einen eigenen Mäuseritter?“
Sie zuckte mit den Schultern, als sie keinen Haken daran fand.
„Ihr gestattet es mir, in Eurem Land zu bleiben und mich frei zu nähren. Ich weiß nicht, wie groß und wie bunt das Land ist, welches Ihr Euer Eigentum nennt. Ich kann es versuchen, eine Mäusestadt nach diesem Bild zu schaffen. Sie wird anders aussehen als auf dem Gauklerfest. Aber ich will es gern versuchen.“
Jagna sah zur Wandmalerei zurück und zum leuchtenden Herrn des Feuers.
„Wenn Ihr erlaubt, kann es eine kleine Stadt sein, die wächst und wächst. Wenn etwas fertig ist, bringe ich es Euch. Wenn es Euch nicht zusagt, verändere ich es. Die rechte Maus schlagt Ihr Euch selbst zum Ritter?“, fragte sie mit vollkommenem Ernst in der Stimme.
Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: Mo Okt 14, 2024 11:15 am
von Marzanna
"Leider habe ich diese Fähigkeit meines Hohen Hauses, mit der Tierwelt zu sprechen, vernachlässigt in meiner Übung in den Künsten des Blutes ..." Marzanna legte den Kopf schief mitten in ihrer Antwort, wie eine Wölfin, die auf etwas Unerwartetes neugierig geworden war.
"Aber dein freies Volk teilt diese Gabe mit den Meinen. Und du vermagst viel mehr in dieser Kunst. Ich sollte meine Gabe nicht verkümmern lassen ..."
Sie lächelte ihr Wolfslächeln, das ihre Vampirzähne nicht verbarg. Aber es war nicht Aggression, die das vermittelte, wie der Gangrel Instinkte ihr verrieten, sondern Offenheit.
"Wie wäre es, wenn du mich die Sprache der Tiere lehrst? Was wäre dein Preis dafür, Magistra, ... Lehrerin. Denn, wie du sagst, fremde Zungen und fremdes Schweigen klingen oft schauderhaft.
Und ich wünsche, nicht nur mit den Menschen und Geistern zu reden, sondern auch mit dem Getier meines Landes."
Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: Fr Okt 25, 2024 8:10 pm
von Agnellina
„Ich kann Euch ein paar Mäuse fangen und geben. Ein paar Tropfen Blut machen sie Euch gewogen und Ihr könnt sie zähmen, wie es jeder Mensch vermag.“, bot sie zunächst an. „Dann könnte ich Euch sicher zeigen, was sie so mögen und was nicht so sehr.“
Mit leicht tänzelnden Schritten wanderte sie mehr oder minder auf der Stelle umher.
„Ihr wisst viel über die Meinen.“, griff sie auf. „Ihr habt mit meinen Geschwistern und Ahnen zu tun gehabt? Ist dieses Land ein gutes für mein Blut? Ihr seid ihm freundlich gesonnen.“ Ein fragender Unterton klang in der Feststellung nach. Sie beschnupperte ihre Gastgeberin noch immer vorsichtig.
Sie überlegte eine Weile und ihre Augen wanderten dabei über die puppenhaften Menschen, welche die Vampirin auf dem Thron umringten und anschmachteten.
„Menschen und… Geister?“
Letzteres ließ die Gangrel ein wenig erschaudern.
„Das Getier Eures Landes… was wünscht Ihr denn mit ihm zu besprechen? Vielleicht können meine Ohren und meine Zunge Euch dienlich sein.“
Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: Sa Okt 26, 2024 12:04 pm
von Marzanna
Marzanna lächelte gewinnend. "Aber ja, ich bin den Deinen freundlich gesonnen. In diesen Landen gibt es alte Bünde zwischen der Sippe der Drachen und der Wölfe. Unsere Burgen und heiligen Plätze, wo sich die Stämme sammeln, waren immer beschützt von den Wölfen in der Wildnis drumherum.
Du kannst gerne meine Wölfin werden, wenn Du das willst.
Das Land ist reich an Beute und es ist überschaubarer für Dich als das Gewimmel der Stadt mit seinen neumodischen Sitten."
Sie lächelte noch offener und wirkte jugendlicher und amüsierter damit. "Du musst nicht so vorsichtig sein mit den Geheimnissen Deines Blutes. Die Sprache der Tiere ist auch die Kunst meiner Sippe. Ich habe sie nur noch nicht gemeistert, wie es sich geziemt.
Peinlich für eine Herrscherin, wenn sie nicht allen Untertanen Gehör schenken und Worte sie an sie richten kann, nicht wahr? Ich bitte Dich also nicht um Unmögliches, sondern um etwas, was ich mir selbst erschließen könnte. Es würde nur länger dauern und wohl auch mühseliger sein, als eine Lehrmeisterin zu haben."
Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: Sa Okt 26, 2024 8:09 pm
von Agnellina
"Eine Wölfin werden? Eure Wölfin werden?"
Sie runzelte die Stirn und ihre Finger spannten sich unwillkürlich.
"Was sind das für alte Bünde? Wie kam es zu ihnen und was besagen sie?"
Fragend legte sie den Kopf ein wenig zurück. Das war der Ansatz einer Geschichte, den die junge Gangrel noch nicht kannte.
Jagna ließ sich die Argumente der hohen Dame durch den Kopf gehen.
"Ich will darüber nachdenken, was das Lehren und Lernen angeht. Lasst mich das Land eine Weile erkunden und erspüren. Lasst mich etwas weniger fremd hier sein. Ein Gefühl für das Gewimmel und seine Wildnis bekommen. Die Regeln und Gepflogenheiten unserer Art an diesem Ort verstehen. Wenn ich mich ein wenig eingelebt habe, komme ich zurück und habe vielleicht auch ergründet, wie das zu lehren ist, was in unser beider Blut liegen soll. Dann können wir dieses Geschäft möglicherweise besiegeln. Wir werden wohl beide etwas davon haben, doch im Augenblick... sehe ich mich nicht im Stande, Euch diesen Wunsch zu erfüllen."
Wie um zu verdeutlichen, dass diese Weile nicht übermäßig lange sein würde, nutzte sie die Gelegenheit sich einige Hinweise zu erfragen, die dem Einleben zweckdienlich sein könnten.
"Euer Haus und Geschlecht ist hier schon lange heimisch, nehme ich an. Bisher habe ich meinen Bruder, den verehrten Seneschall, kennen gelernt. Wen sollte ich darüber hinaus aufsuchen? Was sollte ich beachten, um hier zügig einen Platz in der Domäne zu finden?"
Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: So Okt 27, 2024 9:26 am
von Marzanna
Die junge Adlige streichelte den Arm des Kriegers mit der Hundeheraldik, der wiederum den Kopf seines Hundes streichelte.
"Jede Sippe hat andere Geschichten über die alten Tage, aber soweit man mich das gelehrt hat, ist die Koexistenz von Gangrel und Drachen mindestens seit den Tagen der Römer so. Gangrel achten Reviere, was manche anderen Sippen nicht tun."
Sie lächelte geduldig. "Lass Dir Zeit. Überdenke und wäge ab. Lerne und verstehe. Das macht eine gute Lehrmeisterin aus und Dich zu einer Zierde Deiner Sippe. Rasches Handeln hat zu vielen die Ewigkeit abgekürzt."
Und dann lächelte sie wissend. "Oh, nein, ich lenke Dich nicht zu denen, die ich für richtig halte, dass Du sie aufsuchst, oder verschweige die, die ich für ungeeignet halte. Vielleicht wäre nicht einmal Absicht dahinter, sondern nur unbewusste Freundschaftsbande.
Du möchtest doch selbst Deine Entscheidungen treffen, oder?"
Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: Mi Dez 18, 2024 7:42 pm
von Agnellina
Jagna, oder Agnellina, wie sie sich unter der aufgehobenen Stille benannt hatte, arbeitete mit unruhigen Fingern in den Stoffen ihrer Kleidung.
Mit einer leichten Verbeugung bestätigte sie die Annahmen. "Euer Land, Eure Regeln."
"Ihr seid voller Rücksicht und Weitsicht, Księżniczka."
Die Gangrel war nie ein Herrenkind gewesen und auch ihr zweites Blut hatte sie nicht völlig aus dem System von Herrschaft und Weltordnung gerissen. So bestätigte sie den letzten Gedanken nicht, widersprach ihm aber auch nicht.
"Sagt bitte, Księżniczka, da Ihr über Geschichten sprechen wollt. Ist es wahr, was man wispert und am Feuer erzählt? Wuchs diese Stadt tatsächlich auf dem Rücken eines Drachen? Hat ein Lindwurm hier geherrscht und Mensch und Tier verschlungen? Hat er Jungfrauen als Tribut gefordert, wie es heißt? So ein Drache, sprach er die menschliche Zunge?"
Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: Mo Jan 06, 2025 10:32 am
von Marzanna
"Es ist wahr, selbst wenn es vielschichtig ist. Der Drache ist auf der anderen Seite und auf der diesseitigen ist sein gepanzerter Rücken, der sich im Schlummer über das Land erhebt, als der Berg zu sehen und sein Leib mit seinem tosenden Blut als der sich windende Fluss.
Und die Koldun, die Schamanen der alten Zeit, nahmen seine Rolle bei den rituellen Tänzen ein und die Opfer an.
Und ja, Jungfern wurden geopfert dem Drachen, dem Fluss. Ich weiß das, denn ich war eine davon. Ich selbst wurde in den Fluss geworfen, gefesselt, mit und Säcken voller kleiner Steine, damit der Todeskampf länger dauert und die harschen Götter erfreut. Meine Herrin erwählte mich, nahm das Opfer an und machte mich am Ende selbst zum Drachen, der auf dieser Seite wandelt."
Bei der Erwähnung ihres eigenen Ertränken blieb sie betont ruhig und nobel, aber man konnte sehen, wie ihre eleganten Hände zu Fäusten auf der Stuhllehne geballt waren und leicht zitterten.
Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: So Jan 26, 2025 8:29 pm
von Agnellina
Die Augen verrieten es. Sie bemerkte die Anspannung und das Ringen um die elegante, damenhaft-herrschaftliche Haltung. Doch die Bilder, die Marzannas Erzählung in ihrem Kopf hervorrief, hielten sie von weiteren Bemerkungen ab.
Das zähe Gespräch, welches das Kennen lernen der beiden darstellte, setzte sich noch weiter fort. Agnellina schien zwar durchaus gewillt zu sein, doch die Situation mit den marionettenhaften Menschen ringsum und der teils herrschaftlich wirkenden, teils so liberal erscheinenden Puppenspielerin, die ihre Gastgeberin war, hemmte sie und ihre Zunge vielfach. Es war wie bei einem wilden Vogel, welcher sich in eine Burg verirrt hatte und unruhig unter den Sparren hockte, bis ein Ausgang erspäht und die Gelegenheit zur Flucht erschien.
Letztendlich wagte die Gangrel aber den Sprung und entschied sich für die freie Welt außerhalb statt der gastfreundlich gebotenen festen Mauern, um den Tag zu verbringen. Es fiel ihr schwer hierbei die rechten Worte zu finden, sie druckste unruhig herum und schien darauf aus zu sein, Marzanna nicht zu kränken. Obwohl die Jungfrau ihr freundlich jede Wahl offen stellte, blieb es vorerst ein scheuer Rückzug in ihre sicheren Gefilde.
Doch es würde weitere Nächte geben. Sobald sich die Gangrel ein wenig eingelebt hatte und das erste gewünschte Spielzeug überbringen würde. Dann vielleicht auch mit einer neuen Maus.
Re: [1257] Rudawa - Einfach dem Fluss entlang [Agnellina, Marzanna]
Verfasst: Do Jan 30, 2025 12:38 pm
von Marzanna
Marzanna lächelte leise. Irgendwie mochte sie die Gangrel. So vogelfrei und ungezwungen. Ein totaler Gegensatz zu ihr. Aber solche inspirierenden Gegensätze zogen sich an, sagte man ja.
Sie freute sich auf weitere Treffen mit Agnellina. Wie eine Adlige, die sich über den freien Falken auf der Faust freute, wenn er zurückkehrte, weil er es selbst so wollte.
Ende