[1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

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Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von Zbigniew » Di Jun 17, 2025 8:05 pm

Der Schatten konnte sich ein leichtes Schmunzeln unter dem Tuch nicht verkneifen. Seine bleichen toten Augen zuckten einen Moment nach oben, den Saal und die Prinzessin aufnehmend. Er verbeugte sich, ging wieder auf die Knie. Es gab keinen Grund, zu antworten. Er würde sich mit Mateusz treffen. Er würde Zofia fragen, wo er diesen finden konnte, beim Verlassen der ehrwürdigen Hallen. Oder Kazimierz, wenn es denn sein musste.

Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von admin » Mo Jun 16, 2025 9:51 am

Frida schwieg zunächst. Das Schweigen war kein Versehen – es war gezielt, ein stilles Prüfbecken, in dem sie jedes Wort, jede Geste, jedes Zucken der Lippen wie in ruhigem Wasser betrachtete. Ihre Augen – scharf wie Glas, das zu lange in kaltem Wind liegt – blieben einen Moment auf dem enthüllten Antlitz Zbigniews ruhen. Dann – beinahe unsichtbar – ein leichtes Nicken.

„Zbigniew, Wächter des Waldes. Schatten. Kind Oksanas.“

Sie sprach den Namen so, als prüfe sie ihn auf der Zunge, und vielleicht auch, ob seine Trägerin ihn noch wert war, genannt zu werden. „Der Wald, den du beschreibst, ist alt. Älter als viele von uns. Und es ehrt dich, dass du in deinem Unleben dieselbe Treue lebst, die dich als Mensch ausgezeichnet hat. Aber“, sagte sie, nun mit etwas mehr Nachdruck, „dies ist Krakau. Und meine Domäne duldet keine Geister, die man nicht benennen kann, keine Wälder, die man ohne mein Wissen betritt. Du wirst dich bei Mateusz melden – dem Seneschall dieser Stadt. Er kennt die Wälder besser als die Namen mancher Höflinge. Und wenn du in meiner Domäne jagst, wachst oder flüsterst – dann tust du es mit seinem Wissen. Und meinem Willen.“ Die letzten Worte waren sanft ausgesprochen – zu sanft, fast wie ein Tropfen Gift in Wein. Dann wandte sie sich, ohne auf seine Antwort zu warten, Zofia zu. Der Blick der Prinzessin wurde wärmer – doch auch prüfender. Die Art prüfend, mit der man eine Klinge mustert, bevor man sie in eine Scheide steckt.

„Zofia.“

Ein einzelnes Wort – aber getragen von Respekt. Und der stummen Forderung nach mehr. „Du hast deine Pflicht erfüllt – mit Ernst, mit Disziplin. Mehr, als viele getan hätten. Du sprichst nicht, und das sagt mehr als viele Worte.“ Ein kurzer Blick zu Kazimierz. „Jeder Gelehrte braucht eine Laterne, wenn er in den Keller der Zeit hinabsteigt. Du warst diese Laterne, und so darfst du eine Bitte äußern. Sprich.“

Sie ließ ihr einen Moment, dann wandte sie sich, kaum hörbar, wieder an Kazimierz. Fridas Miene wurde dunkler. Ihre Schultern blieben entspannt, aber die Luft im Raum schien schwerer zu werden, als sie erneut das Wort ergriff: „Kazimierz, wenn Chaos das ist, was du mehr verachtest als Politik – dann willkommen im Zeitalter des Ekels.“ Sie schritt ein paar Schritte vom Thron herab, der Saum ihrer Rüstung kratzte leise über das Pflaster. „Die Mongolen sind nicht allein. Der Osten erwacht – nicht nur aus Steppe und Dämmerung, sondern auch aus Träumen, die wir längst begraben glaubten. Träume von Göttern aus Lehm und Blut. Von Völkern, die niemals versöhnt wurden. Von Städten unter Städten.“

Ein Moment Stille. Dann:

„Wenn die Zeit kommt – und sie wird kommen – wird jeder von euch stehen müssen. Nicht knien. Nicht beten. Nicht schreiben.“ Sie blieb stehen – ganz nah bei Kazimierz. „Sondern handeln.“ Dann wandte sie sich wieder dem Thron zu, hob jedoch nicht sofort ihre Stimme zur Entlassung. Stattdessen, beinahe beiläufig in Richtung des Ancilla der Kappadozianer: „Komm morgen Nacht. Allein. Ohne Schatten und ohne Laterne. Ich will keine Predigt hören. Ich will wissen, was du weißt. Was du gesehen hast.“

Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von Zofia » Fr Jun 13, 2025 7:23 am

Schweigsam hatte Zofia dem Gespräch der beiden Ancilla zugehört. Als die Toreador letztlich davon sprach, dass die Neugeborene ihre Pflicht erfüllt hatte, neigte sie leicht ihr Haupt, während ihre Finger instinktiv den Rosenkranz suchten und mit diesem zu spielen begannen, ob der unweigerlichen Aufmerksamkeit auf ihr. Ihr schmaler Körper versteifte sich, als Kazimierz davon sprach die Ketten zu lösen und alles zu tun, hatte sie bereits an den für andere verstörend wirkenden Geheimnissen ihres Clans gekratzt, um erahnen zu können, wie tief alles gehen mochte oder auch, wieviel Kraft es sie selbst kosten werden würde, ging sie nicht davon aus, dass Kazimierz alles alleine tun würde. Als sie den enthüllten Zbigniew aus den Augenwinkeln heraus betrachtete, wirkte sie sichtlich kurz überrascht, aber nicht angeekelt. Sie hatte wohl bereits in der Vergangenheit mit Leichen zu tun gehabt, auch wenn es sie verwunderte, wie alt sein Körper im Vergleich zu ihrem erschien, auch wenn ihre eigene Haut bereits jene unnatürliche Blässe zeigte, die über die Jahre ohne Zweifel noch weitaus stärker werden würde.

Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von Zbigniew » Di Jun 10, 2025 3:00 pm

Der Vermummte erhob sich. Während er das tat, nahm er das Tuch ab, das das verrottende Gesicht vor den Blicken der anderen verborgen hatte. Unter den bleichen toten Augen zeigte sich die wahrhaftige Fratze des Todes, ein Ebenbild dessen, wofür der Clan stand.

"Ich bin Zbigniew, der Strażnik Lasu, der Wächter des Waldes. Kind von Oksana von Sandomierz. Neugeborener im Clan Cappadocius'." Die kratzende Stimme hallte von den Wänden des Saales wieder. "Ich wache über den Wald westlich von Krakau, der große alte Wald ohne Namen, die Wildnis zwischen Rudawa und Weichsel. Es ist eine Aufgabe, die mir bereits vor meiner ... Erschaffung übergeben wurde. Und ich gedenke, diesen Schwur, den ich einst als Lebender gab, auch im Unleben zu erfüllen."

Er blickte kurz von Zofia zu Kazimierz, die beide immer noch vor ihm standen. Seine Augen verrieten, dass er weder mit allem einverstanden war, was sein Ältester gesagt hatte, noch dass er dessen Gottvertrauen teilte.

"Ich diene den alten Göttern und den Geistern des Waldes, so wie ich euch dienen werde, solange ich in eurer Domäne verweile." Danach senkte er den Kopf, bereit, weitere Fragen des Prinzen zu beantworten.

Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von admin » Di Jun 10, 2025 2:06 pm

Die Prinzessin von Krakau ließ die Stille wie einen schweren Vorhang über den Saal fallen. Ihre nussbraunen Augen – wachsam und prüfend – wanderten langsam von Kazimierz zu seinen Begleitern und wieder zurück. Das Kettengeflecht ihrer Rüstung glänzte im Fackelschein, als sie sich leicht in ihrem Thron bewegte. Als sie schließlich sprach, war ihre Stimme ruhig und kontrolliert, doch jedes Wort trug das Gewicht von acht Jahrzehnten der Herrschaft.

„Erhebt euch."

Ein einfacher Befehl, doch die Art, wie sie ihn aussprach, ließ keinen Zweifel daran, wer hier herrschte. Sie musterte Kazimierz mit einem Blick, in dem Neugier und Tadel gleichermaßen lagen. „Kazimierz." Sein Name kam über ihre Lippen, nicht als Urteilsspruch, sondern als Feststellung – kühl, aber nicht ohne eine gewisse Wärme. „Achtzig Jahre. Seit ich diese Domäne von Razkoljna übernommen habe, warst du ein Schatten, der niemals vor meinem Thron erschien." Sie machte eine Pause, lehnte sich minimal vor. „Deine Worte von Ordnung und Schönheit... sie klingen vertraut. Doch wo war diese Erkenntnis all die Jahrzehnte, in denen ich diese Domäne zu dem formte, was sie heute ist?"

Ihre Stimme blieb ruhig, doch ein Hauch von Schärfe schlich sich hinein. „Du sprichst von Versäumnis, als wäre es ein Versehen in deinen Gebeten. Doch Respekt vor den Traditionen ist mehr als das – es ist das Fundament, auf dem unsere Gemeinschaft ruht. Gegen mich, gegen diese Domäne, gegen die Ordnung, die du so eloquent zu preisen weißt." Sie erhob sich langsam von ihrem Thron, jede Bewegung fließend und kontrolliert. Ihre Präsenz füllte den Raum, doch es war nicht die Kälte eines Tyrannen, sondern die natürliche Gravitas einer geborenen Anführerin.

„Aber..." – das Wort hing einen Moment in der Luft – „ich bin nicht ohne Verständnis für die Eigenarten alter Gelehrter." Ein schwacher Anflug eines Lächelns umspielte ihre Lippen. „Schwester Zofia hat ihre Pflicht erfüllt und dich an deine Versäumnisse erinnert. Und siehe da, der stolze Ancilla des Todes kniet schließlich vor mir. Das allein zeigt mir, dass du verstehst – spät, aber nicht zu spät." Ihr Blick wanderte zu Zbigniew, und in ihren Augen blitzte echte Neugier auf. „Und du bringst mir einen Neuankömmling. In diesen Zeiten..." Sie musterte den vermummten Vampir mit unverhohlenem Interesse. „Steh auf, Fremder. Sprich deinen Namen, deine Abstammung und deine Absichten in meiner Domäne. Die Traditionen mögen für manche..." – ein kurzer, nicht unfreundlicher Blick zu Kazimierz – „...in Vergessenheit geraten, doch ich muss jeden kennen, der in Krakau weilt."

Sie wandte sich wieder an Kazimierz, und nun war da etwas anderes in ihrer Stimme – eine Dringlichkeit, die sie sorgfältig kontrollierte: „Du kommst nicht ohne Grund, alter Mönch. Nicht nach so langer Zeit. Nicht in Begleitung." Sie trat einen Schritt näher, ihre Stimme wurde leiser, aber eindringlicher. „Die Spione aus dem Osten bringen beunruhigende Nachrichten. Karawanen bleiben aus, Flüchtlinge sprechen von Bewegungen jenseits der Karpaten. Die Mongolen sammeln sich erneut." Ihre nussbraunen Augen fixierten ihn mit einer Intensität, die sowohl Herausforderung als auch Befehl war. „Ich erwarte von dir, dass du alles tust – alles –, um diese Domäne zu verteidigen. Deine Gelehrsamkeit, deine Macht, deine Verbindungen zu den Schatten. Krakau wird nicht fallen, solange ich herrsche. Und jeder, der unter meiner Herrschaft steht, wird seinen Teil dazu beitragen." Sie machte eine kleine Pause, ein kaum merkliches Lächeln huschte über ihr Gesicht. „Auch die, die achtzig Jahre lang meinten, sie könnten sich dieser Verantwortung entziehen."

Kazimierz erhob sich langsam, das rostige Kreuz klirrte leise gegen sein Gewand. Seine bleichen Augen blieben einen Moment länger zu Boden gerichtet, bevor er sie hob – nicht zu Fridas Gesicht, sondern zu einem Punkt knapp darüber, als blickte er durch sie hindurch in eine andere Welt. „Achtzig Jahre", wiederholte er mit einer Stimme wie das Rascheln alter Pergamente. „Achtzig Jahre, in denen ich die Stille den Worten vorzog, die Bücher den Intrigen, die Wahrheit den... Notwendigkeiten." Ein schmaler Spott schlich sich um seine Mundwinkel. „Ihr sprecht von Verteidigung, Prinzessin. Von allem tun." Er machte eine kleine Pause, seine Finger spielten mit dem Kreuz an seiner Brust. „Die Mongolen kommen – das weiß jeder Bauer, der den Rauch am Horizont riecht. Die Frage ist nicht, ob ich alles tue. Die Frage ist, ob Krakau bereit ist, für das, was 'alles' bedeutet, wenn die Kinder des Todes ihre Ketten lösen." Seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern, das dennoch jeden Winkel des Saales zu erreichen schien: „Ich werde alles tun, weil Chaos das einzige ist, was ich mehr verachte als Politik. Und weil..." – ein kurzes, grausames Lächeln – „...weil sogar Gott manchmal will, dass seine demütigsten Diener ihre Hände schmutzig machen."

Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von Zofia » So Jun 08, 2025 12:49 am

Zofia folgte zwei Schritte hinter dem Älteren, nachdem sie die Engstelle passiert hatten, dabei deutlich weniger Abstand lassend, als ihr neuer Clanbruder. Als Kazimierz zu ihnen sprach, runzelte sie flüchtig die Stirn, ob seinem Hinweis hinsichtlich des Sprechens und dem Knien, als auch dem in die Augen sehen, doch sie entgegnete nichts darauf, sondern nickte nur einvernehmlich. Als sie schließlich den Thronsaal erreicht und vor Frida getreten waren, zögerte sie im Gegensatz zu ihrem Ältesten nichts hinaus, sondern führte die Bewegung aus dem Gehen, in ein Halten schräg seitlich hinter ihrem Ältesten, in eine gen Boden aus. Ihr fehlte es dabei merklich an der Eleganz oder auch den feinen Zwischentönen Kazimierz. Stattdessen folgten ihre klaren Bewegungen einer erschreckenden Direktheit und brutalen Ehrlichkeit die widerspiegelte, dass sie in der Toreador die Herrscherin dieser Domäne sah und diese anerkannte. Entsprechend kniete sie regungslos, das Haupt gesenkt, den Blick auf den Boden vor dem Thron gerichtet, während Kazimierz sich an Frida gewandt hatte. Innerlich schien ihr ein Stein von Herzen zu fallen, als der erste Teil der Begegnung weiteraus besser verlaufen war, als sie es befürchtet hatte.

Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von Zbigniew » Fr Jun 06, 2025 8:44 pm

Der Leichnam nahm auch die weiteren Belehrungen Kazimierz reglos auf. Nach wie vor war da kein Wort, nicht einmal ein Nicken. Als sich Kazimierz den Weg durch die Befestigungen bahnte, folgte er ihm, immer ein paar Meter Abstand haltend.

Dann waren sie oben angekommen. Zbigniew hielt den Abstand zu dem Alten, als sie den Saal betraten. Keinen Meter mehr und keinen Meter weniger. Sicher war es ein ungewöhnliches Bild, was die drei abgaben. Vielleicht war es aber auch ein eindrucksvolles? Vielleicht war es auch nur Kazimierz berechnende Art, die diesen skurrilen Auftritt verlangte? Der alte Kappadozianer, gerahmt zwischen einem kräftigen breiten verrottenden Leichnam und einer zierlichen würdevollen Nonne.

Vor dem Prinzen angekommen gestattete sich Zbigniew einen kurzen Blick zur Seite auf Zofia, bevor er es Kazimierz gleich tat und auf die Knie ging. Alles andere als makellos knackten und krachten die alten Knochen im verrottenden Fleisch, und auch die zerschlissene Rüstung, auf dem Weg zum Boden. Er senkte den Kopf, gerade so weit, dass er seine unmittelbare Umgebung noch wahrnehmen konnte. Er verhielt sich weiterhin still in Erwartung einer Aufforderung zum Sprechen.

Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von admin » Fr Jun 06, 2025 9:26 am

Der Mönch ging los, ohne Zeichen, ohne Blick. Nur das Knirschen seiner Sandalen auf dem Pflaster kündete von seinem Voranschreiten. Die Gewandung hing wie ein Leichentuch an ihm herab, der rechte Ärmel fadenscheinig, sein Kreuz klimperte bei jedem dritten Schritt im Takt eines Totengebets. Ein Wachenpaar am Aufgang zum inneren Burghof trat instinktiv einen halben Schritt zurück, als Kazimierz sich näherte – nicht aus Furcht, sondern wegen der Kälte, die ihm vorauseilte. Der Segen der Stille.

„Tretet nicht aus dem Weg", raunte er ihnen zu, ohne langsamer zu werden. „Ein Schatten braucht keinen Raum." Die Wachen zögerten – zu lange – und wurden von seinem Talar gestreift wie von einem dunklen Wasser, das keine Spuren hinterlässt. Er sprach weiter, mehr für die Ohren der Clansgeschwister als für die Welt: „In dieser Nacht werden eure Knie geprüft. Nicht eure Worte. Sprecht also, wenn ihr den Klang eurer Stimme entbehren könntet." Ein seitwärts gerichteter Blick zu dem schweigenden Schatten in der zerschlissenen Rüstung. „Und falls dein Schweigen Weisheit ist, behalte es. Falls es Furcht ist... nun, dann wird es sich bald zeigen."

Der Aufstieg zum Wawel war steil und still. Kein Hofstaat um diese Stunde, kein Trompetensignal. Nur ein alter Hund irgendwo auf der Mauer, der zweimal bellte und dann vergaß, wozu. Kurz vor dem Portal, das zum inneren Gemach des Prinzen führte, blieb Kazimierz stehen. Der Lichtschein aus dem Inneren traf ihn schräg – es ließ die Schatten unter seinen Augen tiefer wirken, als wären sie Gräben. Er drehte den Kopf, gerade so weit, dass seine Stimme rückwärts fand: „Wenn einer von euch ihr in die Augen sieht – schreibe ich eure Chronik eigenhändig um. Als Fußnote." Sein Blick ruhte einen Moment länger auf Zbigniew. „Und falls du, Kind, den Impuls verspürst, wieder etwas zu werfen, gib mir vorher deine Hand. Ich brauche einen neuen Briefbeschwerer."

Dann legte er die Finger an die Brust – nicht zum Gruß, sondern als Andeutung eines Kreuzzeichens. Nicht für sich. Nicht für die, die mit ihm kamen. Für das, was hinter der Tür lag. Er trat vor. Langsam. Mit jenem Tempo, das die Seele fürchtet, wenn der Vorhang fällt. Die Flügeltür des Thronsaals ächzte unter der Last der Zeit – oder war es nur die Vorstellung, dass der Tod selbst den Raum betrat? Kazimierz erschien inmitten des Rahmenlichts wie ein Schatten, der sich seiner eigenen Bedeutung bewusst war. Langsam trat er über die Schwelle, als beträte er kein weltliches Gemäuer, sondern eine Reliquie. Seine Robe – schwer, dunkel, vom Staub der Zeit durchtränkt – schien mehr zu gleiten als zu rascheln. In der Hand: das uralte Kreuz. Auf der Stirn: kein Zeichen der Reue. Seine Präsenz war ein Spott auf Eitelkeit und doch selbst eine Inszenierung – bewusst, grausam, präzise.

Er durchquerte den Saal ohne Eile, doch mit dem Gewicht von Jahrhunderten in jedem Schritt. Als er vor dem Thron stand – ein karger Thron, wenn man seine Vorstellung von Ewigkeit kannte –, verbeugte er sich nicht sofort. Erst ein Atemzug, dann ein Blick zu Boden. Wie ein Geist, der dem Fleisch seine Existenz erst gewähren musste. Dann senkte er sich – ein Knie auf den kalten Stein. Die Bewegung war makellos. Und dennoch ein Spektakel. Sein Haupt gesenkt, die Stimme leise – aber so klar, dass der Stein sie bewahren würde: „Höchst verehrte Frida, Prinzessin von Krakau, Ancilla der Rose, Kriegsherrin im Kleide des Erhabenen – ich knie vor euch, nicht aus Bedürfnis nach Gnade, sondern weil Ordnung Schönheit ist… und Schönheit Gesetz." Ein Moment Stille. Kein Husten, kein Rascheln. Die Worte hingen wie Weihrauch in der Luft.

„Ich bin Kazimierz, Ancilla des Clans des Todes, der Erstgeborene meines Blutes in dieser Domäne. Mein Schatten wandelt seit langem im Schutz eurer Ordnung." Seine Stimme senkte sich noch tiefer, wurde zu einem Bekenntnis, das nach Buße klang: „Ich bekenne vor euch meine Versäumnis – zu lange habe ich die Schatten den Höfen vorgezogen, die Stille den Worten, die Bücher den Menschen. Ein Fehler, der der Ordnung nicht würdig war." Er hob den Kopf nur einen Fingerbreit – genug, um Reue zu zeigen, nicht genug, für Unterwerfung. „Möge meine späte Ehrerbietung Zeugnis sein, dass auch die Kinder des Todes verstehen: Eure Herrschaft ist das Fundament, auf dem unsere Existenz ruht. Wie das Kreuz auf dem Altar – sichtbar, notwendig, unumstößlich." Ein Schatten eines Lächelns huschte über seine Lippen – zu schnell, um Respektlosigkeit zu sein, zu deutlich, um Zufall zu sein. „Vergebt einem alten Mönch seine weltlichen Schwächen, Prinzessin. Die Ewigkeit macht einen bisweilen... vergesslich für die Rituale der Zeit."

Frida ließ Worte und Gesten über sich ergehen und beobachtete nur. Das Gesicht eine unbewegliche Maske und nur die Augen verrieten das sie sehr wohl aufmerksam auf jedes Detail achtete.

Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von Zofia » Do Jun 05, 2025 10:18 pm

Der Körper der Benediktinerin hatte sich instinktiv versteift, als der Stein zwischen ihnen hindurchgeflogen und hinter den Wachen hüpfend aufgekommen war. Alarmiert hatte Zofia sich umgesehen, bevor sie den massiven Schatten aus den Häusern hervortreten gesehen hatte.

Als sie die vertraute Stimme des Ältesten mit seiner leisen Anweisung gehört hatte, hatte sie nur pflichtbewusst genickt und getan wie ihr geheißen worden war. „Der Friede sei mit euch.“, sprach die Benediktinerin an die beiden Wächter gewandt leise, kaum lauter als es sein musste, nachdem sie sich ihnen zugedreht hatte.

„Wir sind angekündigt und werden erwartet.“, ergänzte Zofia das Offensichtliche, während sich ihre Clangeschwister im Hintergrund austauschten, welche sie in ihrer einladenden Handbewegung miteingeschlossen hatte. „Schwester Zofia mit Begleitung.“, meinte sie abschließend, bevor sie leicht in Richtung ihrer Begleitung sah.

Auf Kazimierzs letzte Anweisung hin, sah sie leicht zu diesem auf, überragte er sie doch ohne weiteres um einen Kopf oder mehr, bevor sie sich zu ihrem anderen Clanbruder umsah, der ebenfalls größer und in Masse sicherlich bald zweimal so viel war wie sie.

Kurz blickte sie aus braunen Augen in Richtung dessen Hand, bevor sie mit den Schultern zuckte. Dann sah Zofia zurück in Höhe des Gesichts von Zbigniew, bevor sie freundlich meinte: „Willkommen in Krakau.“ Einladend deutete sie den Weg weiter nach oben.

Re: [1259] Leichentanz am Wawel [Zbigniew, Zofia, SL]

von Zbigniew » Mo Jun 02, 2025 8:51 am

Der Vermummte ließ die Standpauke über sich ergehen. Nur ein tiefes Räuspern und ein ungesundes Knacken ließ erahnen, dass er ein paar unfreundliche Worte herunterschlucken musste.

Als der kleine Mönch anfing, von Gott zu sprechen, legte der Vermummte den Kopf etwas schief, ohne auch dies weiter zu kommentieren. Die unverhohlene Drohung schien zumindest keine äußerliche Reaktion hervorzurufen.

Erst als der Mönch anfing darüber zu sprechen, dass es ihre Pflicht war, sich beim Prinzen zu melden, nickte der Vermummte kurz zustimmend. Die bleichen Augen verengten sich zu Spalten, als wäre dieser ganz im Fokus, um die folgende Prüfung zu überstehen.

Die Aufforderung an die Nonne, ihm die Hand zu brechen, quittierte er noch mit einer hochgezogenen Augenbraue. Dann folgte er den beiden, weiterhin wortlos, um die Vorstellung hinter sich zu bringen.

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