Ein Schwur, eine Familie

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Ein Schwur, eine Familie

von Dietrich » Fr Sep 19, 2025 9:47 am

Die Fackeln warfen flackerndes Licht an die rauen Wände des Gewölbes, der Stein atmete Kälte. In der Mitte des Raumes ruhte ein Kelch aus schwerem Gold, verziert mit dem schwarzen Raben, dem Zepter der Macht, das Symbol des Blutes seines Bruders, und Zeichen, deren hermetischen Urspruch nur wenige erkannten und noch viel weniger deren Sinn begreifen würden.
Dietrich von Hohenberg hielt ihn in den Händen, wie man ein Heiligtum hält. Die Männer, die um ihn standen, waren nicht einfach Gefolgsleute – es waren die, die sein Leben geprägt hatten. Gabriel, sein Bruder im Blut und im Schwur. Herrschaftlich und strahlend. Der perfekte Anführer im Felde. Dessen Gefolge Ulrich und der Neuzugang Bartosz. Heinrich, Dietrichs rechte Hand und Vogt, rotbärtig, unbeirrbar. Schwester Berthe, im Habit der Ordensfrau, deren Augen von stillem Feuer brannten. Die Veteranen, die seit Jerusalem treu geblieben waren. Und Mikolaj, der Kastellan – nervös, doch mit jener Ernsthaftigkeit, die nur ein Mann kennt, der weiß, dass er an der Schwelle zu etwas Größerem steht.

Dietrich hob den Kelch, und die Männer schwiegen. Seine Stimme hallte schwer unter den Bögen. Normalerweise war es Gabriel der Reden hielt. Aber dies hier war ein Ritual der Bruderschaft. Und dies fiel in Dietrichs Aufgabenbereich.


„Wir haben gekämpft, weit weg von hier. Auf den Mauern Jerusalems haben wir gestanden, als die Khwarazmier wie eine Welle brachen. Wir haben gesehen, wie Städte in Rauch aufgingen, wie Brüder fielen und Freunde in den Staub getreten wurden. Wir führten unser Banner aus dem heiligen Land nach Italien und von dort nach Norden ... und schließlich der Horror von Braga…“

Seine Stimme wurde leiser, brüchiger für einen Augenblick. Er gebot diesem Moment die nötige Ehrfucht.

„In Braga lag der Tod schon auf unserer Brust. Gabriel und ich – wir waren verloren, zerschlagen, gebrochen. Und doch, durch Gottes Gnade, erhoben wir uns wieder. Wir sind gefallen wie Menschen – und auferstanden in heiliger Pflicht. Die Narben auf meinem Gesicht erinnern mich täglich daran, dass der Tod nie fern ist. Doch sie erinnern mich auch, dass Treue, Mut und Opfer uns stärker machen als jede Horde, die gegen uns reitet.“

Er zog einen Dolch, schnitt sich tief in die Hand. Dunkles Blut tropfte in den Kelch, mischte sich mit dem Licht der Fackeln zu einem düsteren Glanz.

„Mein Blut für euch – euer Blut für mich. Dies ist kein Versprechen, das man bricht. Dies ist ein Bund, den kein Sturm und kein Brand lösen kann.“

Er reichte den Kelch weiter. Schwester Berthe nahm ihn als Erste, schnitt ohne zu Zögern in ihre Hand und ließ ihr Blut hineintropfen, die Lippen zu einem stummen Gebet bewegt. Heinrich folgte, dann die alten Veteranen, jeder mit knappen, ernsten Gesten, als sei der Akt längst vertraut. Als Abschluss Ulrich und schließlich schnitt Gabriel seine Hand mit beinahe trotzigem Blick und ließ das Blut fallen, wie eine Herausforderung an die Welt.

Schließlich standen Mikolaj und Bartosz vor dem Kelch. Der jüngste Ghul Gabriels zögerte nicht Moment. Mit der stoischen Ruhe eines Mannes der seinen Teil an Gewalt und Tod gesehen hatte, griff er zum Messer und tat es seinen Vorgängern gleich.
Der Kastellan von Gawrony zögerte einen Herzschlags lang – das Gewicht der Blicke aller auf ihm, die Last der Entscheidung. Er wusste, dieser Schritt war der erste auf einem Scheideweg. Von hier an gab es keinen Weg zurück mehr.
Schließlich nahm er den Dolch, schnitt sich in die Hand und ließ sein Blut in die dunkle Flüssigkeit tropfen, vermischte es mit dem gesammelten Leben der anderen. Für die beiden Neuzugänge in dieser Runde war es kein einfaches Ritual, sondern eine Initiation, die Aufnahme in eine Bruderschaft, die größer war als der eigene Name. Die Augen der Brüder ruhten auf ihnen, streng und prüfend, dann nickten sie kaum merklich.

Der Kelch ging reihum, jeder trank. Das Blut schmeckte nach Eisen und Feuer, nach Jahren auf Mauern und Wegen, nach Schwüren und stiller Verzweiflung. Als er leer war, setzte Dietrich ihn nieder, und die Stille im Gewölbe war dichter als der Stein, der sie umgab.


„Von Jerusalem bis Braga. Von Braga bis Gawrony“, sprach Dietrich, „haben wir das Schlimmste gesehen. Wir sind gefallen, wir sind wieder aufgestanden. Heute sind wir mehr als Männer. Wir sind Brüder, geschmiedet in Feuer und Blut. Blut und Schwur binden uns – nicht Worte, nicht Pergament. Wer von euch heute hier steht, steht nie wieder allein.“

Die Fackeln flackerten auf, als hätten sie die Worte selbst vernommen. Aus Männern war in diesem Augenblick etwas Neues geworden – ein innerer Kreis, geschmiedet aus Blut, Erinnerung und unausweichlicher Treue.

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